Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
blickt sich suchend nach Johnny Banzai um und entdeckt ihn im Gespräch mit Boone Daniels. Hund und Katze, Hatfield und McCoy, Steve Harrington und Boone Daniels. Harrington kommt auf die andere Seite des Absperrbands, guckt Boone an und sagt: »Wenn Sie Pfandflaschen oder Dosen suchen – sorry, die Müllabfuhr war schon da.«
Harrington hat ein Gesicht wie Stacheldraht – seine Knochen sind so scharfkantig, dass man Angst hat, sich daran zu schneiden. Sogar sein blondes Haar ist scharfkantig – kurz geschnitten und drahtig gegelt – und sein Mund sieht aus wie ein Messerschnitt zwischen dünnen Lippen. Er trägt ein graues Jackett mit Fischgrätmuster, ein weißes Hemd mit brauner Krawatte, eine schwarze Hose und glänzend polierte schwarze Schuhe.
Harrington ist Hardcore.
Immer schon gewesen.
»Was machst du an meinem Tatort, Surferarsch?«, fragt Harrington. »Ich dachte, du bist damit beschäftigt, kleine Mädchen um die Ecke zu bringen.«
Boone stürzt sich auf ihn.
Johnny Banzai packt Boone.
»Lass ihn«, sagt Harrington. »Bitte, John, tu mir den Gefallen, lass ihn los.«
»Tu du mir einen Gefallen«, sagt Johnny zu Boone. »Reiß dich zusammen.«
Boone gehorcht.
»Kluge Entscheidung«, sagt Harrington und setzt hinzu: »Pussy.«
Boone ist gerade noch klar genug im Kopf, um zu bemerken, dass Petra an ihnen allen vorbei auf den Fundort zumarschiert.
»Hey!«, schreit Harrington, aber es ist zu spät. Petra steht über die Leiche gebeugt da. Boone sieht, wie sie die Frau von oben herab betrachtet, sich anschließend wieder aufrichtet und schnellen Schrittes zum Bus zurückeilt. Sie legt beide Hände auf den Wagen, als wollte sie sich durchsuchen lassen. Den Kopf hält sie gesenkt.
Boone geht zu ihr. »Machen Sie schon, kotzen Sie«, sagt er. »Das geht allen so beim ersten Mal.«
Sie schüttelt den Kopf.
»Los doch«, sagt er. »Sie dürfen menschliche Züge zeigen. Ist in Ordnung.«
Aber sie schüttelt noch einmal den Kopf und sagt etwas, das er nicht richtig versteht.
»Was?«, fragt er.
Sie spricht ein bisschen lauter.
»Das ist nicht Tammy Roddick«, sagt sie.
20
Boone schiebt Petra in den Bus.
Die Kiste springt beim ersten Versuch an, er fährt zwei Straßenecken weiter, dann rechts ran und fragt: »Was?«
»Das ist nicht Tammy Roddick«, wiederholt Petra.
»Sind Sie sicher?«
»Ja, ich bin sicher«, sagt sie. »Herrgott noch mal, ich habe sie ein halbes Dutzend Mal getroffen.«
»Okay.«
»Und mir war nicht nach Kotzen«, sagt sie. »Ich wollte Sie nur von den Polizeibeamten weglocken, um es Ihnen zu sagen.«
»Tut mir leid, ich wollte nicht unterstellen, dass Sie ein Mensch aus Fleisch und Blut sind«, sagt er. Aber sie wirkt jetzt noch blasser, sofern das möglich ist. »Passen Sie auf, wollen Sie einen guten Rat von mir?«
»Nein.«
»Wir sollten jetzt sofort zurückfahren und denen sagen, dass sie die Falsche identifiziert haben«, sagt Boone. »Sie sind Justizbeamtin, wenn Sie den ermittelnden Beamten Informationen im Zusammenhang mit einem Todesfall vorenthalten, für den es keinerlei Zeugen gibt …«
»Hallo?«, sagt sie und winkt mit der Hand. » Ich bin die Anwältin, ja? Jura in Stanford. Jahrgangsbeste.«
»Und wenn ich Informationen zurückhalte, wird mir die Lizenz entzogen.«
»Dann vergessen Sie, dass ich’s Ihnen gesagt habe«, sagt sie. »Passen Sie auf, ich werde schwören, es nie erwähnt zu haben, in Ordnung?«
»Wie haben Sie in Ethik abgeschnitten?«, fragt Boone.
»Mit Eins«, sagt sie. Als wollte sie sagen, sonst noch was?
»Wie das? Haben Sie bei der Abschlussprüfung abgeschrieben?«
»Seit wann sind Sie auf Ihren Sandalen unter die Moralapostel geschlappt?«, fragt sie. »Ich dachte, Sie wären so wahnsinnig lässig.«
»Ich brauche meine Lizenz, um mir meinen bescheidenen Lebensunterhalt zu verdienen«, sagt Boone und merkt erst, als die Worte seinem Mund entweichen, wie lahmarschig das klingt. Gesetze wurden nicht gemacht, um gebrochen zu werden, aber sie sind durchaus darauf angelegt, dass man sie interpretiert, und jeder Privatermittler, der sie nicht wie Brezeln verbiegt, wird sich nicht lange in der Branche halten können.
Abgesehen davon, denkt Boone, gibt es auch noch einen weiteren handfesten Grund, dem San Diego PoliceDepartment nicht mitzuteilen, dass die Tote im Crest Motel nicht Tammy Roddick ist. Die Verstorbene gab aus irgendeinem Grund vor, Tammy zu sein, und checkte unter deren Namen im Motel ein. Möglicherweise wurde
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