Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
ein rein äthiopisches Unternehmen, wie Boone weiß, United Taxi dagegen wird ausschließlich von Leuten aus Eritrea betrieben. Manchmal entstehen in der Taxischlange am Flughafen kleinere Reibereien, normalerweise aber kommen sie ganz gut miteinander aus.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragt der Äthiopier, der fast noch ein Kind ist, kaum zwanzig Jahre alt. Er ist dünn und trägt einen rattenbraunen Pulli über neuen Levi’s 501, die wie frisch gebügelt aussehen. Seine Air Jordans nimmt er nicht vom Tisch. Boone ist nicht unbedingt so gekleidet, dass man wegen ihm die Füße vom Tisch nehmen würde.
»Dude«, nuschelt Boone möglichst langgezogen, so dass es eher klingt wie »Duuuuuuuuude«. »Ich hab Ärger.«
»Liegen geblieben?«
»Abgefertigt«, erwidert Boone. »Siehst du die Alte im Bus?«
Der Äthiopier nimmt die Füße vom Tisch, läßt die Rollen seines Schreibtischstuhls auf den Boden sinken, rückt sich die dicken Brillengläser auf der Nase zurecht und wirft einen Blick durchs Fenster auf den Parkplatz. Er sieht Petra auf dem Beifahrersitz des Kleinbusses.
»Die ist genervt«, sagt der Disponent.
»Aber total.«
»Wie kommt’s?«
Boone streckt sein linkes Handgelenk vor, zeigt ihm weiße Haut mit den Umrissen einer Armbanduhr.
»Deine Armbanduhr ist weg«, sagt der Disponent.
Boone nickt Richtung Petra. »Die hat sie mir zum Geburtstag geschenkt.«
»Was ist passiert?«
Boone seufzt. »Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«
»Klar.«
Hoffentlich nicht, denkt Boone und sagt: »Ich hab gestern Nacht mit meinen Jungs gefeiert. Ein paar Mädchen waren auch dabei, und einer bin ich ein bisschen näher gekommen, vielleicht ein bisschen zu nah, wenn du verstehst, was ich meine, jedenfalls wache ich auf und sie ist verschwunden. Dude, mit der Uhr.«
»Du sitzt in der Scheiße.«
»Absolut«, sagt Boone. »Ich hab meiner Freundin erzählt, dass mein Zimmernachbar Dave was mit der Stripperin hatte, aber dass sie in meinem Zimmer gewesen sind, weil Johnny in seinem war und ich am Pool eingepennt bin, kapiert? Und dass ich meine Uhr in meinem Zimmer gelassen habe, und die Stripperin, diese Tammy, sie genommen hat, weil sie dachte, es sei die von Dave, und weil sie stocksauer war, dass er ihr ein Taxi gerufen hat. Also hab ich mich gefragt, ob du mir vielleicht sagen kannst, wo die hingefahren ist?«
»Das darf ich eigentlich nicht«, sagt der Äthiopier. »Es sei denn, du wärst von der Polizei.«
»Bruder«, sagt Boone und deutet zum Fenster hinaus, »wenn ich die Uhr nicht finde, komme ich bei der da draußen nie wieder zum Zug. Ich meine, sieh sie dir an.«
Das macht der Äthiopier. »Ist scharf.«
»Die ist rattenscharf. «
»Hättest dich eben nicht mit der anderen einlassen sollen«, sagt der Äthiopier und wirkt im Interesse des hübschen Mädchens im Bus ehrlich empört.
»Ich war hackedicht«, sagt Boone. »Aber du hast recht, Bruder. Meinst du, du kannst einem Ertrinkenden eine Rettungsleine zuwerfen? Kannst du nachsehen, ob ihr ein Taxi in die Del Vista Mar 533 geschickt habt, die Braut heißt Tammy? Wohin habt ihr sie gebracht? Du kannst mich im Gegenzug um einen Gefallen bitten.«
»Welchen zum Beispiel?«
Schön, dass sich die Äthiopier dem amerikanischen Lebensstil angepasst haben, denkt Boone. MTV, Fast Food, Kapitalismus. Kohle bar auf die Hand. Er zieht seine Brieftasche aus der Hose und hält einen Zwanziger hoch. »Mehr hab ich nicht, Bruder.«
Was so ziemlich der Wahrheit entspricht.
Der Disponent nimmt den Zwanziger, geht zum Fahrtenbuch und ruft rüber: »Hast du gesagt, sie heißt Tammy?«
»Ja, Gilooley, Gilbert …«
»Roddick?«
»Genau«, sagt Boone.
»Einer unserer Fahrer hat sie ins Crest Motel gefahren.«
Na, leck mich am Arsch, denkt Boone. Er sagt: »Gleich hier in PB.«
»Fünf Uhr früh heute Morgen.«
Eine Stripperin, die um fünf Uhr morgens in der Stadt rumfährt? Stripperinnen sind um fünf gar nicht auf, denktBoone, es sei denn, sie sind immer noch auf. Er sagt: »Hey, danke, Brah .«
»Deine Freundin …«
»Ja?«
»Die ist wunderschön.«
Boone sieht aus dem Fenster dorthin, wohin der Disponent starrt. Petra sitzt aufrecht im Wagen, guckt in den Spiegel und trägt vorsichtig frischen Lippenstift auf.
Ja, denkt Boone, das ist sie.
Er geht zurück zum Bus und steigt ein.
»Sechs Minuten und achtunddreißig Sekunden«, sagt sie mit Blick auf die Uhr.
»Was?«
»Sie wollten doch, dass ich die Zeit stoppe«, sagt sie. »Hat
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