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Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Titel: Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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dunkel, um etwas zu erkennen. Trotzdem sind die Bilder eindeutig, die Strömung, der Wind – Irrtum ausgeschlossen: Ihre Welle rollt direkt auf Pacific Beach Point zu.
    Unruhig steht sie wieder auf, geht ans Fenster und blickt auf den echten Ozean. Es ist dunkel und diesig, aber die Sonne durchdringt die Nebeldecke, und es kommt ihr seltsam vor, ungut und fremd, nicht mit der Dawn Patrol auf dem Wasser zu sein. Seit Jahren ist dies der erste Morgen, an dem sie nicht aufkreuzt.
    Sie hatte überlegt hinzugehen, hatte sich aber nicht überwinden können. Es schien ihr unmöglich, da draußen bei Boone zu sein. Lächerlich, denkt sie jetzt. Albern. Sie weiß, dass Boone seit ihrer Trennung andere Frauen hatte. Sie hatte andere Männer. Aber das zu sehen – diese Frau in ihren Klamotten zu sehen, wie sie es sich gemütlich gemacht hatte und sich heimisch fühlte –, das kam ihr wie ein entsetzlicher Verrat vor. Und während er es ihr besorgt hat, ließ mich Boone glauben, er sei tot …
    Also schwänzte sie die Dawn Patrol.
    Vielleicht hat’s ja was Gutes, denkt sie. Wird Zeit, nach vorne zu schauen. Morgen springe ich auf meine Welle und reite in mein neues Leben.
    Sie geht sich anziehen. Im Sundowner wird viel los sein, wenn die Surfer kommen, und Chuck kann wahrscheinlich Hilfe brauchen.
    Also beschließt sie, schon ein bisschen früher hinzugehen.

93
    Auch High Tide denkt darüber nach, in den Sundowner zu gehen. Er hat Hunger, ihm ist kalt und eine Tasse heißer Kaffee mit einem Berg Bananenpfannkuchen in Ahornsirup klingt verdammt gut.
    Die Nacht ist lang gewesen, er hat einen halben Straßenzug südlich von Boones Wohnung in seinem Wagen gesessen und wie ein aus dem Ruhestand zurückgekehrter General seine alten Recken dirigiert. Auf eine komische Art war es ein gutes Gefühl, zu wissen, dass er nur die Parole ausgeben musste, und seine Jungs würden parieren, als sei überhaupt keine Zeit vergangen. Gleichzeitig war es aber auch ein schlechtes Gefühl, da es viele Erinnerungen an die alten Tage zurückbrachte, die er hinter sich gelassen hatte.
    Das schlechte Gefühl war aber nichts im Vergleich zu der Seelenqual, die es ihm bereitete, dass er seinen Cousin im Stich gelassen hatte. Aber so ist das: Das Leben stellt einen vor harte Entscheidungen, und er hat sich für die eine Familie entschieden, gegen die andere.
    Da ist nichts mehr zu machen.
    Aber jetzt blickt er auf den Ozean hinaus und sieht, dass die Familie, für die er sich entschieden hat, gar nicht zusammen ist. Er war an diesem Morgen nicht rausgepaddelt, weil er Boone bewachen musste, und Gott weiß, wo der jetzt steckt. Johnny ist nicht da, weil er wahrscheinlich stocksauer auf Boone ist und an dem Mordfall arbeitet. Sunny kocht vor Wut – ist verletzt und fühlt sich betrogen.
    Nur Hang Twelve ist da draußen, sitzt wie ein Schlüsselkind da und wartet, bis Mom und Dad nach Hause kommen.
    Das denkt er gerade, als jemand an seine Fensterscheibe klopft.
    Boone steht da.
    Tide kurbelt die Scheibe herunter.
    »Es ist vorbei«, sagt Boone.
    »Das ist gut.«
    »Kannst immer noch ins Wasser«, sagt Boone.
    »Was ist mit dir?«
    Boone schüttelt den Kopf und sagt mit Blick auf sein Cottage: »Sachen zu erledigen.«
    »Ich glaub, ich lass es heute«, sagt Tide. »Ich geh lieber frühstücken.«
    »Klingt gut«, sagt Boone. »Und, Tide? Danke, hm.«
    »Kein Ding, Brah.«
    Du bist aiga .

94
    Johnny Banzai schläft ein paar Stunden, steht auf, nimmt ein Hemd, eine Hose, ein Sportjackett und eine Krawatte aus dem Schrank. Dann entscheidet er sich zugunsten eines grafitgrauen Anzugs doch wieder dagegen. Er muss heute vor Gericht erscheinen, vielleicht sogar vor einem Richter, und er hat festgestellt, dass sich etwas mehr Förmlichkeit oft auszahlt.
    Komisches Gefühl, von zu Hause und nicht vom Strand aus zur Arbeit zu gehen, sich im Schlafzimmer umzuziehen und nicht im Wagen. Er fehlt nicht zum ersten Mal bei der Dawn Patrol. So etwas war schon häufiger wegen der Arbeit oder familiärer Verpflichtungen vorgekommen, aber das hier ist etwas anderes.
    Als wäre es das Ende von etwas.
    Der Beginn von etwas anderem.
    Phasen und Stationen, schätze ich mal, denkt Johnny, während er sich eine blutrote Strickkrawatte umbindet und im Spiegel überprüft. An einem bestimmten Punkt in deinem Leben denkst du, du heiratest nie; plötzlich bist du verheiratet. Dann denkst du, du wirst nie Kinder haben, und plötzlich hast du zwei. Und du hast immer gesagt, dass du

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