Packeis
andere noch Wasser führend, hatten ein labyrinthartiges Netz von gewundenen, natürlichen Korridoren durch die wellige Tundra geschaffen. Ein längst erkalteter Vulkan wölbte sich aus dem Permafrost auf wie ein riesiges schwarzes Furunkel.
Er legte die Landkarte beiseite und blätterte in einem zerlesenen russischen Reiseführer, den er in einem Antiquariat gekauft hatte, während er versuchte, eine Transportmöglichkeit auf die Insel zu arrangieren. Er war froh, feststellen zu können, dass er die russische Sprache immer noch recht gut beherrschte.
Ivory Island wurde Ende des sechzehnten Jahrhunderts von russischen Pelztierjägern entdeckt. Sie fanden riesige Haufen von Tierknochen und Mammutstoßzähnen, die schließlich der Insel ihren Namen gaben. Die Knochen lagen überall herum, teilweise verstreut über die Landschaft oder in Hügeln, die durch den Frost zusammengehalten wurden.
Der Pelzhandel fand sein Ende in einer Orgie aus Mord und Blut, und die Elfenbeinjäger traten auf den Plan. Qualitativ hochwertiges Elfenbein fand bei den Schnitzmeistern Chinas und in anderen Teilen der Welt reißenden Absatz. Sich dieser profitablen weißen Goldader durchaus bewusst, verkaufte die russische Regierung Handelsrechte an private Unternehmer.
Einer dieser Geschäftsleute engagierte einen Agenten namens Sannikoff, der sämtliche arktischen Inseln erkundete.
Auf Ivory Island befand sich der größte Vorrat, doch aufgrund ihrer Abgelegenheit blieb sie zugunsten besser zugänglicher Rohstoffquellen im Süden weitgehend unberührt. Einige unerschrockene Elfenbeinsammler gründeten eine Siedlung an der Mündung des Flusses, die sie Ivorytown nannten, stand in dem Buch, jedoch hatte die Insel ein weitgehend verlassenes Dasein geführt, da es erheblich gastlichere Orte gab.
Das Klopfen an seiner Kabinentür unterbrach seine Recherchen. Es war der Kapitän, ein Mann mit rundem Gesicht, der halb Russe, halb Eskimo war.
»Das Boot ist bereit, um Sie an Land zu bringen«, meldete er.
Schroeder ergriff seinen Seesack und folgte dem Kapitän zur Backbordreling des Trawlers, bevor er über eine Leiter hinunter in ein Ruderboot stieg. Während ein Matrose ruderte, benutzte Schroeder einen langstieligen Fischhaken, um Eisbrocken, die im stillen, kalten Wasser trieben, aus dem Weg zu schieben. Nur wenige Minuten später rutschte der Bootsrumpf knirschend auf den Kiesstrand. Schroeder warf seinen Seesack ans Ufer, stieg aus dem Boot und half dem Matrosen, es wieder ins Wasser zu schieben.
Er verfolgte, wie das Ruderboot von Nebelschwaden verschluckt wurde. Obgleich das Fischerboot nur wenige hundert Meter vom Ufer entfernt lag, war es hinter dem feuchten, dampfähnlichen Dunstvorhang kaum zu erkennen. Es war vereinbart worden, dass das Boot in dieser Position vierundzwanzig Stunden lang warten sollte. Schroeder würde innerhalb dieser Frist am Strand auftauchen und das Zeichen geben, abgeholt zu werden. Er hoffte, dass Karla sich dann in seiner Begleitung befand. Er hatte bisher noch nicht darüber nachgedacht, ob sein warnender Finger ausreichen würde, sie dazu zu bewegen, die Insel zu verlassen. Mit diesem Problem würde er sich zu gegebener Zeit beschäftigen. Er hoffte nur, dass er nicht zu spät käme. Er war für sein Alter gut in Form, aber sein Körper konnte nicht leugnen, dass er acht harte Jahrzehnte hinter sich hatte und dieser Tatsache allmählich Tribut zu zollen begann. Seine Muskeln und Gelenke schmerzten, und er humpelte mittlerweile auf einem Bein.
Schroeder hörte das dumpfe Dröhnen der Trawlermaschine.
Der Kapitän musste entschieden haben, dass er lieber mit der Hälfte der vereinbarten Summe abdampfte, anstatt auf Schroeder zu warten, wie sie vereinbart hatten, und dann die zweite Hälfte seines Honorars zu kassieren. Schroeder zuckte gleichmütig die Achseln. Er hatte den Kapitän von Anfang an als Pirat eingeschätzt. Das Geschäft rückgängig zu machen, war jetzt nicht mehr möglich.
Er sah sich an, was er von der Insel erkennen konnte. Der Strand stieg leicht an bis zu einer niedrigen Böschung, die zu ersteigen keinerlei Schwierigkeiten machen würde. Er schwang sich den Seesack auf die Schulter und entdeckte dann Fußabdrücke im Sand. Das musste wohl der Weg nach Ivorytown sein.
Er marschierte für zehn Minuten am Fluss entlang und lachte schallend auf, als er die traurige Ansammlung armseliger Häuser erblickte, der man den Status einer Stadt verliehen hatte. Die großen, bunten Zelte, die
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