Packeis
Buch über griechische Philosophen aus einem Regal und schlug es bei Platos »Allegorie von der Höhle« auf. In Platos Parabel können in einer Höhle angekettete Gefangene nur die Schatten von Puppen an der Wand sehen und dabei hören, wie die Puppenspieler hinter ihnen agieren. Mit diesen wenigen Indizien müssen die Gefangenen entscheiden, was Schatten und was Realität ist. Auf ähnliche Weise sortierte Austins Gehirn die merkwürdigen Ereignisse der letzten Tage und versuchte, Ordnung in sein mentales Chaos zu bringen. Er kam immer wieder auf das Einzige zurück, das er halbwegs begreifen konnte.
Er ging zu einem Schreibsekretär und schaltete seinen Laptopcomputer ein. Indem er sich der Website-Adresse bediente, die Dr. Adler ihm genannt hatte, rief er das Satellitenbild von der Region auf, in der die Riesenwelle entstanden war. Das Bild zeigte, dass alles ruhig und friedlich war. Er ging in den Bildarchiven zurück bis zu dem Datum, an dem die
Southern Belle
gesunken war. Zwei riesige Wellen, die Adler aufgeschreckt hatten, waren an dem Tag, an dem das Schiff verschwunden war, deutlich zu sehen. Das Schiff selbst erschien als kleiner pulsierender Lichtpunkt, der von einer zur anderen Minute spurlos verschwand.
Er zoomte das Bild von sich weg, damit es eine größere Fläche Ozean zeigte, und sah dann etwas, das ihm vorher nicht aufgefallen war. Vier Schiffe hatten sich um die Zone versammelt, in der die Katastrophe stattgefunden hatte. An jeder der vier Kompasspositionen befand sich ein Schiff. Die Abstände der Schiffe zueinander waren auf den ersten Blick genau gleich. Er betrachtete das Bild eine Zeit lang, dann ging er ein paar weitere Tage zurück. Die Schiffe waren nicht dort. Er ging zu einem Datum kurz nach dem Untergang der
Southern Belle
. Nur drei Schiffe waren zu sehen. Als er auf einen Tag nach dem Untergang der
Belle
sprang, war kein Lichtpunkt mehr vorhanden.
Er kam sich vor wie einer von Platos Gefangenen in der Höhle, die versuchten, die Realität vom Schein zu trennen, aber er hatte einen Vorteil, den sie nicht hatten. Er konnte sich Hilfe suchen. Er schlug das dicke NUMA-Verzeichnis auf, das neben dem Telefon lag, überflog die Einträge und tippte dann eine Nummer. Ein Mann meldete sich.
»Hallo, Alan. Hier ist Kurt Austin. Ich bin soeben von einer Seereise zurückgekommen. Hoffentlich habe ich Sie nicht geweckt.«
»Überhaupt nicht, Kurt. Es ist immer wieder schön, von Ihnen zu hören. Was kann ich für Sie tun?«
»Können Sie es schaffen, morgen früh um acht zu einer Besprechung in mein Haus zu kommen? Es ist sehr wichtig.«
»Natürlich.« Eine kurze Pause trat ein. »Sie wissen doch, womit ich befasst bin?«
Alan Hibbet gehörte zu den Dutzenden gelegentlich ziemlich langweiligen NUMA-Gelehrten, die unbemerkt und unerkannt in den Eingeweiden der ozeanographischen Organisation ihrer Arbeit nachgingen, glücklich und zufrieden damit, auf exotischen Gebieten mit wenig öffentlicher Aufmerksamkeit lebenswichtige Forschungen betreiben zu dürfen. Ein paar Monate zuvor hatte Austin Hibbet während eines NUMA-Symposiums über seegebundene Kommunikation und Umweltüberwachung sprechen hören. Er war damals vom breit gefächerten Wissen des Mannes tief beeindruckt gewesen.
»Ich weiß sehr wohl, mit was Sie sich befassen. Sie sind Spezialist für angewandten Elektromagnetismus mit besonderen Kenntnissen über Antennen. Sie sind zuständig für die elektronischen Augen und Ohren, die die NUMA bei ihrer Tiefseeforschung verwendet und mit denen sie die Verbindung zwischen ihren weit verstreuten Operationen aufrechterhält. Ich habe Ihren Aufsatz über die Auswirkungen von Horizontalebenenausdehnung auf die von verkleinerten Oberflächenantennen erzeugten Strahlungsmuster gelesen.«
»
Tatsächlich?
Ich betrachtete das Spezialteam für Sondereinsätze als einen Verein von verwegenen Abenteurern und Haudegen.« Austin und sein Team genossen in weiten Kreisen der NUMA einen geradezu legendären Ruf, und Hibbet erstarrte beinahe vor Ehrfurcht, ausgerechnet von ihnen um Hilfe gebeten zu werden.
Austin lachte ein wenig trübselig. Seine Arme schmerzten noch immer von seinen Anstrengungen, Paul Trout zu retten, und er war hundemüde. »Ich glaube, das Team wird zur Zeit mehr gehauen, als dass es mit dem Degen glänzen kann. Wir können Ihre Kenntnisse wirklich gut gebrauchen.«
»Ich helfe gerne, wo und wie ich kann«, versicherte Hibbet.
Austin erklärte ihm den Weg zu seinem Bootshaus
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