Päpste pupsen nicht (German Edition)
flötete Eloise mir ins Ohr.
»Und das ist noch gar nichts. Schau mal da hin.« Das Morgenlicht drang hinter uns durch die geöffneten Kirchentüren, und weil die Sonne noch so tief stand, fiel es genau auf die Vorderseite des Doms, hinter den Altar. Und da flatterte wieder ein weißer Vogel, umgeben von einem apfelsinenfarbenen Oval, das aussah wie eine Atomexplosion. Die Sonne ließ den Vogel leuchten, als wäre ein Suchscheinwerfer auf ihn gerichtet. Ich schaute mich um, aber ich sah keine Löwen. Nur dicke herumflatternde Babyengel, Denkmäler für alte Männer und den Altar, dessen Dach von Kringelsäulen getragen wurde. Und darüber – das durfte nicht wahr sein:
»Elo, lies mal.«
» POIMA « stand da im goldenen Rand der Kuppel, in riesigen Buchstaben aus Marmor. Das klang ziemlich wie der Poimnograph, die Wundermaschine des Prälaten.
»Mann, wo sind bloß die Löwen? Wir haben nicht endlos Zeit.«
Um halb neun würde der Schulbus auf uns warten. Wir rannten wieder zurück in Richtung Eingang. Weil die Sonne so blendete, musste ich den Kopf zur Seite drehen, und da sah ich die Löwen. Zwei Riesenexemplare, ziemlich müde und glücklicherweise aus Stein.
»Psst, hierher«, flüsterte der rechte Löwe. Mir blieb fast das Herz stehen. Ich spürte Eloises Hand in meiner. Sie war kalt.
»Smilla, das ist zu viel für mich. Komm, wir gehen lieber.«
»Pssst, HIER her«, wisperte der Löwe. »Genau vor euch.«
Am Schwanzende des Löwen stand eine Art Schrank aus dunklem Holz. Es war ein Beichtstuhl, und genau da sahen wir jetzt den alten Prälaten Dienstbier, mit aufgerissenen kleinen Augen und einer Gesichtsfarbe, die den gleichen Teint hatte wie die Marmorfrau am Eingang. Es stand schlimm um ihn.
»Gott sei Dank seid ihr gekommen«, wisperte er ganz außer Atem.
»War nicht einfach«, sagte Eloise. Aber Dienstbier wollte gar nicht wissen, mit welchen Ausreden wir unseren Eltern klargemacht hatten, warum wir unbedingt noch vor der Schule eine Kerze im Petersdom anzünden mussten. Ich hätte uns jedenfalls kein Wort geglaubt. Er winkte uns zu sich heran. Wir sollten uns in den Beichtstuhl setzen und den Vorhang hinter uns zuziehen. Sonst sitzen hier Leute und erzählen dem Priester durch ein Gitter von den bösen Dingen, an die sie so denken. Oder die sie machen. Ich hatte nur einmal zum Spaß in solch einem Kasten gesessen. Jetzt sah ich durch das Holzgitter den Kopf von Dienstbier.
»Ich muss mich bei euch entschuldigen«, fing der Prälat an zu reden, »ich habe euch nicht die Wahrheit gesagt.«
»Sie haben uns angelogen?«
»Elo!« Sie war wirklich unmöglich, meine beste Freundin.
»Nein«, Dienstbier schüttelte trübselig sein kahles Haupt. »Ich habe euch nur nicht die ganze Wahrheit gesagt. Das ist nicht Lügen, aber es macht die Sache auch nicht besser. Also …« Er schaute noch einmal ängstlich aus dem Beichtstuhl heraus, aber da waren nur die beiden Typen auf ihren Putzmaschinen. Die Halleluja-Gruppe war in irgendeiner Seitenkapelle verschwunden und die Löwen schliefen.
Dienstbier erzählte von einem Geheimnis, das selbst im Vatikan kaum jemand kannte. Eine Art Staatsgeheimnis. »Ihr müsst wissen, dass der Papst damals, als er gewählt wurde, eigentlich gar nicht Papst werden wollte. Er hatte sich so auf seinen Ruhestand gefreut. Er wollte nur noch eines: endlich seine Modelleisenbahn aufbauen.«
Ich schaute im Halbdunkel zu Eloise hinüber. Ich wusste, dass Leuten immer viel zu spät einfällt, was sie eigentlich werden wollen. Aber dass ein Papst seinen Beruf verfehlt haben könnte, war mir neu.
»Der Arme«, fuhr Dienstbier fort. »Er hatte sich in den letzten Monaten vor der Papstwahl alle Bücher über Spurenbreiten, Trag-Isolatoren, Weichenanlagen zukommen lassen und gelesen. Er hatte sich sogar eine Schaffnermütze bestellt und zog sie probeweise schon mal an, wenn er nicht beten musste. Natürlich kannte er alle Elektrolokmodelle und Tenderwagen, wusste genauestens Bescheid über Dreilicht-Spitzensignale und was weiß ich nicht noch alles. Es ist eben immer sein Traum gewesen, seine eigene Welt. Und natürlich hatte er auch schon einen großen Keller gemietet, weit weg von Rom, in der Nähe eines Güterbahnhofs. So lange hatte er gespart und gewartet. Alles war vorbereitet. Doch dann ist diese Papstwahl dazwischengekommen und ausgerechnet der Modelleisenbahner bekam die meisten Stimmen. Es war nicht nur für ihn eine Katastrophe, wisst ihr. Da saß der arme Mann nun
Weitere Kostenlose Bücher