Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
wenn er spielte, kamen die Frauen angekrochen. Das war den Preis wert. Er spielte und spielte, bis ihn Feuergeruch umgab.«
Axel sieht durch die großen Panoramafenster, hinter denen ganz ruhig die gewaltigen Wassermassen liegen. Durch die kleineren Fenster zum Vordeck kann er schemenhaft den weißen Hubschrauber erkennen, mit dem er auf die Luxusjacht gekommen ist. Axels Gedanken pendeln zwischen dem furchtbaren Film und der Suche nach möglichen Fluchtwegen.
Er ist schrecklich müde, sitzt nur regungslos da und hört Guidi zu, der weiter über Geigen spricht, Stradivaris Fixierung auf die hellsten Klänge, die Härte des Holzes, den langsam wachsenden Ahornbaum und die Fichte.
Raphael Guidi hält inne, lächelt leblos und sagt:
»Solange Sie sich loyal verhalten, können Sie genießen, was in der ersten Waagschale Platz findet, Sie werden eine gesunde Leber haben, gut schlafen und Ihr Leben führen, und als Gegenleistung verlange ich lediglich, dass Sie unseren Vertrag nicht vergessen.«
»Und Sie wollen, dass ich die Ausfuhrgenehmigung unterschreibe.«
»Die bekäme ich so oder so, aber ich will Sie nicht zwingen, ich will Sie nicht umbringen, das wäre Verschwendung, ich möchte Ihre …«
»Meine Loyalität«, ergänzt Axel.
»Finden Sie das etwa dumm?«, fragt Guidi. »Denken Sie bitte kurz nach und nennen Sie mir anschließend die Menschen, auf deren hundertprozentige Loyalität Sie zählen können.«
Es wird still zwischen ihnen. Axel starrt vor sich hin.
»Sehen Sie«, sagt Raphael Guidi nach einer Weile mit traurigem Blick.
109
Der Vertrag
Axel öffnet die Ledermappe auf dem Tisch, sieht, dass sie alle Unterlagen enthält, die erforderlich sind, um dem Containerfrachtschiff M/S Icelus zu genehmigen, den Hafen von Göteborg mit seiner großen Fracht Munition zu verlassen.
Es fehlt nur noch seine Unterschrift.
Raphael Guidis Sohn Peter betritt den Raum, sein Gesicht ist blass, verschlossen. Er hält eine sehr schöne Geige in der Hand, ein rotbraunes Instrument mit bauchigem Klangkörper. Axel sieht sofort, dass es eine Amati ist, eine wirklich gut erhaltene Amati.
»Ich glaube, ich habe schon erwähnt, dass zu dem, was wir nun tun werden, eine gewisse Musik gehört«, erklärt Guidi sanft. »Die Geige gehörte seiner Mutter … und viele Jahre zuvor spielte Nicolò Paganini auf ihr.«
»Sie wurde 1657 gebaut«, sagt Peter, holt seine Schlüssel und sein Handy aus den Taschen und legt alles auf den Tisch, ehe er die Geige ansetzt.
Der Junge setzt den Bogen auf die Saiten und beginnt zögernd zu spielen. Axel hört sofort, dass es das erste Stück von Paganinis berühmtestem Werk, den »24 Capricen« ist. Es gilt als das schwierigste Werk für Geige überhaupt. Der Junge spielt, als wäre er unter Wasser, viel zu langsam.
»Es ist ein vorteilhafter Vertrag«, sagt Guidi leise.
Es ist immer noch hell draußen, die großen Fensterfronten lassen graues Licht in den Salon.
Axel denkt an Beverly, die sich in der psychiatrischen Klinik in sein Bett legte und flüsterte: »Dich umgibt ein Licht, ich konnte es schon vom Flur aus sehen.«
»Haben Sie lange genug überlegt?«, fragt Raphael Guidi.
Axel erträgt es nicht, in die tristen Augen des Waffenhändlers zu sehen, er weicht dem Blick Guidis aus und greift nach dem Stift, der vor ihm liegt. Er hört sein Herz pochen und versucht zu verbergen, wie schnell er atmet.
Diesmal wird er kein Strichmännchen malen, das Hallo sagt, er wird seinen Namen schreiben und beten, dass Raphael Guidi sich damit zufrieden gibt und ihn nach Schweden zurückkehren lässt.
Axel spürt den Stift in seiner Hand zittern. Er legt die andere Hand auf die erste und führt die Spitze des Stifts vorsichtig zu der leeren Zeile.
»Warten Sie«, sagt Guidi. »Ehe Sie unterschreiben, möchte ich wissen, ob Sie auch wirklich loyal sein werden.«
Axel sieht auf und begegnet Guidis Blick.
»Wenn sie wirklich bereit sind, bei Vertragsbruch ihren Albtraum in Erfüllung gehen zu sehen, müssen Sie mir das zeigen, indem Sie mir die Hand küssen.«
»Wie bitte?«, wispert Axel.
»Sollen wir den Vertrag schließen?«
»Ja«, antwortet Axel.
»Küssen Sie mir die Hand«, sagt Raphael Guidi mit verstellter Stimme, als spiele er einen Idioten in einem alten Theaterstück.
Sein Sohn spielt immer langsamer, versucht, die Finger zu erweichen, ihm zu gehorchen, neue Positionen einzunehmen, spielt in den schwierigen Übergängen jedoch falsch, gerät ins Stocken und gibt plötzlich
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