Pain - Bitter sollst du buessen
und blickte auf die Konsole.
»Die Polizei?«, fragte sie unschlüssig.
»Nein! Ich meine, nicht jetzt schon.« Tiny schüttelte den Kopf und dachte mit zusammengekniffenen Augen scharf nach. »Vielleicht solltest du Eleanor oder Mr. Hannah benachrichtigen.«
»George möchte ich lieber nicht wecken.« Sam kannte den Eigentümer des Senders, George Hannah mochte keine Störungen. Über einen mitternächtlichen Anruf wäre er alles andere als begeistert. »Ich glaube, er legt großen Wert auf seinen Schönheitsschlaf.«
»Tja, aber irgendwer muss Bescheid wissen.«
»Irgendwer weiß Bescheid«, gab sie zurück und dachte an die weiche Stimme ohne Gesicht. Er wusste, wie sie aussah. Wo sie wohnte. Womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente. Wie er mit ihr in Verbindung treten konnte. Und sie war eindeutig im Nachteil. Bislang wusste sie nichts über ihn. Absolut nichts.
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5 . Kapitel
J etzt haben wir noch eine.« Detective Reuben Montoya lehnte sich mit einer muskulösen Schulter an den Türpfosten von Rick Bentz’ Büro in dem verwitterten Backsteingebäude, das das Polizeirevier beherbergte. Sein schwarzes Haar glänzte wie Rabenflügel, sein Kinnbart war säuberlich gestutzt. Wenn er sprach, blitzten seine weißen Zähne, und ein goldener Ohrring reflektierte das bläuliche Licht der Neonröhre an der Decke.
»Noch eine?« Bentz warf einen Blick auf die Uhr. Fünfzehn Uhr fünfzehn; er war seit sieben Uhr morgens im Dienst und wollte eigentlich Feierabend machen. Hinter ihm surrte ein Ventilator und quirlte die warme Luft, die die uralte Klimaanlage nicht hatte kühlen können.
»Totes Straßenmädchen.«
Bentz’ Nackenmuskeln spannten sich an. »Wo?«
»In der Gegend von Toulouse und Decatur. Nicht weit von der Jackson-Brauerei.«
»Himmel.« Bentz rollte in seinem Stuhl zurück.
»Ihre Mitbewohnerin hat sie tot auf dem Bett gefunden, als sie nach Hause kam.«
»Hast du den Gerichtsmediziner benachrichtigt?« Bentz griff bereits nach seiner Jacke.
»Er ist auf dem Weg.«
»Ist der Tatort verändert worden – diese Mitbewohnerin, hat sie was angefasst?«
»Hat nur so laut geschrien, dass alle Hausbewohner aufgewacht sind, aber der Hausmeister schwört, dass er sofort die Tür verriegelt und niemanden reingelassen hat.«
Bentz furchte die Stirn. »Weißt du, das ist eigentlich nicht mein Ding. Du solltest Brinkman anrufen.«
»Er ist im Urlaub und außerdem ein Schlappschwanz – und das ist im Grunde noch ein Kompliment.« Montoyas dunkle Augen funkelten. »Du hast Erfahrung mit solchen Sachen.«
»Das liegt schon eine Weile zurück«, gab Bentz zu bedenken.
»So lange nun auch wieder nicht, und dass du nicht offiziell in der Mordkommission arbeitest, hat doch nichts zu sagen, oder? Also, kommst du mit oder nicht?«
»Dann mal los.« Bentz war bereits auf den Füßen und hetzte zur Tür hinaus; ein Adrenalinstoß hatte die Lethargie, die noch vor einer halben Stunde in seine Knochen hatte kriechen wollen, vertrieben.
Sie durchquerten einen Raum voller verbeulter Schreibtische und eilten eine Treppe hinunter, auf der ihre Stiefel laut klapperten. Hastig liefen sie hinaus auf die Straße zu Montoyas falsch geparktem Zivilauto. Bentz dachte nicht an die Folgen seines Vorgehens. Wahrscheinlich würde Brinkman sauer sein, aber sauer war er ohnehin ständig, und schließlich hatte Melinda Jaskiel, die Chefin des Morddezernats, Bentz mehr oder minder Handlungsfreiheit gewährt. Trotz allem, was in L.A. geschehen war.
Wenn sie nicht wollte, dass er den Fall übernahm, konnte sie ihn abziehen und Fred Brinkman aus Disneyland zurückholen. Bentz war immer der Überzeugung gewesen, dass es besser sei, um Zustimmung zu bitten statt um Erlaubnis. Und meistens hatte ihn diese Einstellung in Schwierigkeiten gebracht.
Während Bentz in den Wagen stieg, ließ Montoya bereits den Motor an. Obwohl Montoya fast zwanzig Jahre jünger war als Bentz, hatte er seine Rangabzeichen verdient. Er hatte Rassendiskriminierung, Armut und Vorurteile überwunden und war schon mit achtundzwanzig Jahren Detective bei der Polizei von New Orleans. Es drängte ihn ins Morddezernat, und des Öfteren setzte er alles daran, um zu Ermittlungen in Mordfällen herangezogen zu werden.
Nun raste er durch die dunklen Straßen der Stadt, als führe er das Rennen von Daytona. Während der Polizeifunk knisterte, schaffte er es, eine Marlboro in den Mundwinkel zu schieben und anzuzünden und gleichzeitig die scharfen Kurven zu
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