Pain - Bitter sollst du buessen
Plötzlich wirkte Samantha Leeds müde, fiel beinahe in ihrem Sessel in sich zusammen. Als hätte ihr Ausbruch sie aller restlichen Energie beraubt. Doch sie würde sie zurückgewinnen. Bentz war ein Menschenkenner, und diese Frau, dessen war er sich sicher, war eine Kämpferin.
»Wer weiß, wo Sie Ihren Wagen parken?«
»Alle, die im Rundfunkgebäude arbeiten. Wir alle benutzen dieses Parkhaus … Ein paar von meinen Freunden wissen das wohl auch. Es wäre außerdem nicht schwer zu erraten, denn das Parkhaus liegt meinem Arbeitsplatz am nächsten. Mein Auto ist auch nicht leicht zu übersehen, ein 1966 er Mustang.« Sie ballte im Schoß die Hände zu Fäusten. »Hören Sie, Detective, gestern Nacht war ich halb wahnsinnig vor Angst«, gab sie zu. »Und das Gefühl mag ich nicht sonderlich.«
»Ich kann es Ihnen nachempfinden. Ich an Ihrer Stelle würde nicht mehr allein ausgehen, und es war auch mein voller Ernst, als ich Ihnen geraten habe, sich einen Rottweiler anzuschaffen. Vielleicht sogar einen Leibwächter.«
Sie stand wieder auf, straffte den Rücken, bereit, erneut aufzubrausen. »Einen Leibwächter?«, wiederholte sie. »Das ist köstlich. Wissen Sie, es ärgert mich maßlos, dass dieser Kerl mit seiner Masche durchkommt, dass er weiß, wo ich wohne und wo ich arbeite und was für einen Wagen ich fahre. Es kann nicht angehen, dass ich wegen irgendeines Mistkerls meine gesamte Lebensweise umstelle.«
»Sie haben Recht, es kann eigentlich nicht angehen, und doch müssen Sie es tun«, entgegnete Rick mit fester Stimme, sah sie eindringlich an und hoffte, ihr seinen Standpunkt klar gemacht zu haben. »Miss Leeds, dieser Kerl ist in meinen Augen gefährlich. Seine Drohungen werden schärfer, er wird immer dreister, und da wir nicht wissen, wer er ist und wie er tickt, müssen Sie außerordentlich vorsichtig sein und besondere Maßnahmen ergreifen, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Ich werde die Polizei in Cambrai anrufen und dafür sorgen, dass in Ihrer Straße häufig patrouilliert wird, und wir überwachen die Umgebung Ihres Arbeitsplatzes, wenn Sie im Dienst sind. Wir versuchen, den Kerl am Kragen zu packen, aber ohne Ihre Hilfe schaffen wir das nicht. Verstehen Sie?«
»Natürlich«, sagte sie.
»Wir tun, was wir können.«
»Danke.« Sie reichte Bentz wie auch Montoya die Hand, legte sich den Riemen ihrer Tasche über die Schulter und ging zur Tür hinaus, ohne zu bemerken, dass Reuben den Schwung ihrer Hüften unter dem Rock und das leichte Nachziehen ihres linken Beins beobachtete.
Er pfiff leise durch die Zähne. »Falls sie zu dem Schluss kommt, dass sie doch einen Leibwächter benötigt, lass es mich wissen, denn ich würde liiiebend gern auf die Süße aufpassen.«
»Ich werde an dich denken«, versprach Bentz trocken und grübelte bereits wieder über den Zusammenhang zwischen dem Anrufer und dem toten Mädchen in Houston nach. »Wir müssen so viel wie möglich über Annie Seger in Erfahrung bringen. Über ihre Kontakte, über ihre Familie, ihren Freund, einfach über alles. Und jeden überprüfen, der irgendwie mit Dr.Sam zu tun hat.« Er tippte mit dem Radiergummi-Ende des Bleistifts auf die Schreibtischkante. »Dieser Fall wird von Minute zu Minute merkwürdiger.«
»Vielleicht ist das so gewollt«, mutmaßte Reuben, fuhr über seinen Kinnbart und verfolgte mit den Augen versonnen den Weg, den Samantha Leeds zwischen den Schreibtischen hindurch genommen hatte.
»Wie meinst du das?«
»Du hast die Sendung doch gehört, oder? Und, hat sie nicht dein Interesse geweckt?«
»Natürlich, das ist schließlich mein Fall.«
»Ich weiß, ich weiß«, lenkte Reuben ein und kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Aber ich möchte wetten, dass in Dr. Sams Sendung die Hörerzahlen in die Höhe schießen, und das kann doch nur gut fürs Geschäft sein. Also her mit den Merkwürdigkeiten. Je merkwürdiger, desto besser.«
»Du glaubst, es ist Schiebung?«
»Könnte doch sein.« Reuben ließ sein schlaues Lächeln aufblitzen. »Genauso wie in diesen Seelenstriptease-Fernsehsendungen, in denen der Moderator ein ganz normal wirkendes Ehepaar vorstellt, dann die Tussi hinzuholt, mit der der Kerl seine Frau betrügt, und schon liegen sich die beiden Frauen in den Haaren … Das ist alles vorab geplant. Und das Publikum im Studio und vor dem Bildschirm lässt sich mitreißen. Im nächsten Moment kommt dann noch irgendwer hinzu – der Bruder oder die Schwester des Ehemanns, und es stellt sich heraus,
Weitere Kostenlose Bücher