Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte
den Geschichtenerzähler, im Krankenhaus besuchte, lüpfte Mutter den Schleier wieder und das Geplapper ging weiter.
In den nächsten Wochen breiteten sich die Papperla-Papageien wie eine Plage über die ganze Stadt aus. Es dauerte nicht lange und fast jeder Haushalt besaß ein solches Schnattermaul. Dank der bunten Vögel lernte man viel Neues über den Weg zu einem modernen, erfüllten und sinnvollen Leben.
Pala war der Papagei nicht geheuer. Woher bekam er nur all diese Neuigkeiten? Nicht sie allein stellte sich diese Frage und Antworten gab es viele. Die Plapperperlen, so wurde behauptet, förderten nicht nur die Gesprächigkeit der bunten Vögel. Gerüchten zufolge enthielten sie einen besonderen Wirkstoff, der das ohnehin schon empfindliche Gehör der Papageien zu wahren Höchstleistungen beflügele. Dadurch könnten sie einfach alles aus der Luft schnappen, was in der Stadt gesprochen und getratscht, gemunkelt und getuschelt, geflüstert oder nur gehaucht wurde, eben jede Äußerung, die irgendwie Beachtung verdiente. Andere Schlauberger vertraten die Ansicht, Zitto habe auf den Dächern seiner Läden raffinierte Zerstäuber anbringen lassen, welche Tag und Nacht Neuigkeiten wie Pollen in die Luft bliesen, damit die Papperla-Papageien sie hernach einatmeten. Was immer man von all dem halten mochte, ließ sich doch eines nicht leugnen: Obwohl die Tiere durchaus unterschiedliche Worte benutzten, sagten sie im Wesentlichen doch immer das Gleiche.
Die Geschichten Papperlapapps empfand Pala als langweilig und phantasielos. Sie kannte Nonno Gaspares tiefsinnige Erzählungen und konnte sich ein Urteil erlauben. Gerne versuchten die Papperla-Papageien ihre Schwächen durch Blutrünstigkeit oder Schlüpfrigkeit auszugleichen. Nicht selten plauderten sie auch über die »glorreiche Zitto-Firma«. Palas Eltern waren fasziniert von dem schier unerschöpflichen Wissen des neuen Familienmitglieds. Wie gebannt hingen sie am Schnabel des Vogels, wenn er sich so richtig ins Zeug legte. Selbst Ninas Knatschen hörten sie dann nicht mehr und falls doch, steckten sie Palas kleine Schwester kurzerhand ins Bett. Und wenn Mutters Große es einmal wagte, dem Plapperperlenfresser ins Wort zu fallen, dann erntete sie dafür ein barsches »Still!«.
Ob auf der Straße oder in der Schule, das Geschwätz der Papageien war bald in aller Munde. »Hast du schon das Neueste von deinem Papperla erfahren?«, fragte man sich morgens im Büro und wiederholte dann das Vorabendprogramm. Oder in der Schule hieß es: »Gestern Papperla gehört? War ‘ne echt wilde Geschichte, wie der weiße Rächer da mit seinem Zauberschwert die schleimigen Gulps erledigt hat.« Pala konnte bei solchen Gesprächen selten mitreden. Sie hörte ihrem gefiederten Schnattermaul kaum zu. »Gib deiner Phantasie Raum, lass sie erzählen«, hatte Nonno Gaspare immer gesagt. Pala brauchte keinen Papagei, um sich voll plappern zu lassen.
Einige Monate nach dem Einzug Papperlapapps veranstaltete Zitto ein rauschendes Fest für seine Angestellten und ihre Familien. Er gab Unmengen von Geld für Essen, Trinken und für wohltätige Spenden aus. Bei diesem Anlass überraschte Palas Vater die seinen mit einer, wie er sich ausdrückte, »famosen Nachricht«. Er dürfe auf Firmenkosten seinen Meister machen. Zitto wolle nur bestens ausgebildete Mitarbeiter in seinem Unternehmen beschäftigen. Zwar werde die Familie das Abendessen eine Zeit lang ohne ihn einnehmen müssen, aber mit dem Geld, das er anschließend verdiene, könnten sie sich vielleicht endlich einen Urlaub im Ausland oder sogar ein eigenes Auto leisten.
»Und wo willst du dann parken?«, fragte Pala. »Ein Auto passt doch gar nicht in die Alexandrinergasse.«
»Zitto wird die Straßen breiter machen«, antwortete der Vater. »Er krempelt die ganze Stadt um.«
Von nun an kam der Vater mittags nicht mehr nach Hause. Er beschränkte seine Pause in der Werkstatt auf ein Mindestmaß und ging abends in die Schule. Meistens schlief Pala schon, wenn er zu später Stunde heimkehrte. Das Besprechen von Problemen wurde aufs Wochenende verschoben, in schweren Fällen musste Mutter in die Bresche springen.
Wenig später bekam sie selbst ein gutes Angebot von Zittos Firma. Sie könne doch leichte Heimarbeit verrichten, hieß es, Sitzständer für Papperla-Papageien zusammenbauen. »Warum soll ich alleine zu Hause herumsitzen, während du die Schulbank drückst?«, fragte sie ihren Mann.
Pala wunderte sich. Waren
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