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Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte

Titel: Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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auf schwarzem Rappen,
erwähl der Einsicht Schild zu deinen Gunsten –
der Irrtum steht auf Zweifels morschem Wappen.

 
    Gelingt nur den an Wahrheitsworten Reichen, sich den goldenen Schlüssel zu Zittos Burg zu verschaffen, dann musst du dir schnell etwas einfallen lassen, Pala.« Sie war wieder in ihre alte Gewohnheit verfallen und sprach mit sich selbst. Auf diese Weise bekämpfte sie das Gefühl des Verlorenseins.
    Seit die Wortklauber sie von Giuseppe, Tozzo und den Antilowen getrennt hatten, waren mehrere Stunden verstrichen. Jenseits der flüsternden Baumwipfel wallte des Himmels Wolkenkleid wieder in lichtem Einheitsgrau. Pala saß auf einem umgefallenen Stamm, zupfte abwesend kleine Zweige aus ihrem zerschlissenen Kleid, bewunderte ihre neuesten Schrammen und schalt sich eine Närrin, weil sie nicht auf ihre innere Stimme gehört hatte. Ihr war zum Heulen zumute. Sie vermisste ihre Freunde jetzt schon. Nur mit Giuseppes Hilfe hatte sie das Rätsel vom Treppenlabyrinth lösen können. Wie sollte sie jemals ohne ihn und Tozzo zurechtkommen? Aber alles Jammern nützte nichts, sie waren unauffindbar, vielleicht sogar verschollen in einem ganz anderen Garten oder einem fernen Winkel von Zittos verwunschenem Reich. Seufzend erhob sie sich und marschierte weiter.
    Mehrere Stunden vergingen. Der Wald wollte kein Ende nehmen und Palas finstere Gedankengänge erst recht nicht. Der verbaumte Wortklauber schlug Wurzeln in ihrem Kopf – oder waren es Angsttriebe? »Ein Wort kann mehr Schaden anrichten als hundert Messerstiche«, hatte Nonno Gaspare einmal gesagt. »Worte können sogar töten. Daher gib immer Acht, was du sprichst, Pala. Du könntest einen Freund unheilbar verletzen.« Gerne hätte sie versucht den holzigen Wortklauber zu heilen, aber ebenso wenig wie ihre Freunde konnte sie dessen Lichtung wieder finden.
    Als wolle der Himmel seine nächtliche Kumpanei mit den Wortklaubern wieder gutmachen, passte er sich gegen Mittag farblich Palas düsteren Gedanken an. Sie hörte ein fernes Grollen. Wenig später gingen die ersten Regentropfen auf das Dach des Waldes nieder. Anfangs kam dies dem Mädchen noch wie ein willkommenes Zeichen von Echtheit und Lebendigkeit in dieser künstlichen Welt Zittos vor. Dann jedoch brach ein grimmiger Sturm über den Wald herein. Regenschauer peitschten bis zum Boden hinab. Blitze fuhren hernieder. Flammen züngelten auf, weil die Baumkronen nur außen trieften, innen jedoch rappeltrocken waren. Wenigstens hielt der Wolkenbruch die Feuer in Schach. Aber wie lange noch?
    Wieder begann Pala zu laufen. Nach kurzer Zeit war sie pitschnass vom Scheitel bis zum Kleidersaum. Sie wusste, wie gefährlich bei solchem Wetter der Aufenthalt im Freien war. Es gab unzählige Gefahren: Sie konnte vom Blitz getroffen werden, vom Feuer verbrannt oder… Ein lautes Krachen ließ sie zusammenfahren. Erschrocken blickte sie nach oben, von wo ihr ein dicker Ast entgegenkam. Sie suchte ihr Heil in einem gewaltigen Satz, landete bäuchlings im Schlamm und kniff die Augen zusammen.
    Krach!
    Pala schrie vor Schmerzen auf. Der vom Sturm abgerissene Hauptast hatte ihre Beine zwar verfehlt, doch die dünnen Außenzweige waren wie Peitschen auf ihre Haut niedergefahren. Unter Stöhnen raffte sie sich wieder auf, warf nur einen kurzen Blick auf die blutigen Striemen an ihren Kniekehlen und Waden, dann hastete sie weiter.
    Sie brauchte dringend einen Unterschlupf. Aber mit Donner und Blitz war auch die Dunkelheit gekommen, zeitweilig sah sie die Hand vor Augen nicht. Was hatte Vater für solche Situationen immer geraten? Weiche der Eiche? Suche die Buche? Nie hatte er verraten, wie man sich in einem Phantasiewald schützt, in dem es keinen einzigen dieser Bäume gab. Also rannte sie einfach nur, duckte sich unter Ästen hindurch, ließ sich von anderen peitschen – und dann gab es einen fürchterlichen Knall.
    Ganz in ihrer Nähe war ein Blitz eingeschlagen. Er hatte einen großen Baum getroffen und fast bis zu den Wurzeln hinab gespalten. Flammen züngelten empor, über den Boden waberte ein blaues Licht. Vor Schreck wäre Pala fast das Herz aus den Ohren gehüpft. Sämtliche Haare standen ihr zu Berge. Ein scharfer Geruch lag in der Luft. Dieser Sturm kam ihr alles andere als geheuer vor. »Beim nächsten Mal ist Mutters Große dran«, flüsterte sie. Die Angst ließ ihre Stimme zittern.
    Mit einem Mal tauchte zwischen den dunklen Stämmen eine Hütte auf. Ohne den flackernden Schimmer des brennenden

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