Paladin der Seelen
damit sie unter dem wachsenden Gewicht ihrer Fehlentscheidungen, ihres Jammers und ihrer Liebe versanken … Sie konnte davonlaufen. Sie konnte es.
»Vielleicht.« Er nickte ihr vieldeutig zu. »Aber nur, wenn wir uns sicher sein können, dass auf der Straße keine Gefahr mehr droht. Sonst würden wir Euch als bereits ausgepacktes Geschenk in die Hände der Jokoner geben. Ich muss heute Nachmittag noch einmal reiten – ich kann jetzt nicht alles hinter mir lassen. Das müsst Ihr einsehen.« Mit eigentümlichem Ernst fügte er hinzu: »Ihr dürft mich jetzt nicht aufhalten.«
»Da ich nicht einmal wüsste wie«, sagte sie seufzend, »seid Ihr davor erst einmal sicher. Was Euch sonst widerfahren mag, kann ich allerdings nicht sagen.«
»Ich werde mich bald wieder ausruhen müssen …«
»Illvin muss eine Gelegenheit zum Essen erhalten, besonders jetzt«, sagte sie warnend.
»Ich wünsche nichts anderes. Aber zunächst einmal würde ich mir gern seine neue Verletzung anschauen.«
»Das wäre klug.«
Offenbar erwartete er, dass sie ihn begleitete. Also erhob sie sich und stieg hinter ihm die Treppen hinauf. Ihre Leute folgten mit unverhohlener Neugier. Als so viele Personen ins Gemach traten, war Goram beunruhigt. Ista versuchte, ihn mit sanften Worten zu beschwichtigen, doch als Liss ihm freundlich auf die Schulter klopfte, schien ihn das mehr zu trösten. Auf Anweisung des Grafen wickelte er Illvins neuen Verband ab. Die Untersuchung Arhys’ war kurz und sachkundig. Foix und dy Cabon betrachteten mit schüchterner Aufmerksamkeit den blutigen Riss in Arhys’ Tunika. Als der Graf sich abwandte, versammelten sie sich an der Bettkante und lauschten den geflüsterten Erklärungen von Liss.
Arhys’ Hand krampfte sich um den Schwertgriff und löste sich wieder. Er stand mit Ista ein Stück abseits von den anderen und flüsterte ihr zu: »Ich muss gestehen, ich war nicht ganz unglücklich, als diese jokonischen Krieger heute Morgen auf meiner Straße erschienen. Ein Teil von mir hoffte auf einen besseren Tod. Nicht so schmählich wie der erste … weniger schändlich für die Ehre und das Andenken meines Vaters. Nun sehe ich, dass es damit ein Problem gibt.«
»Ja«, sagte Ista.
»Ich fühle mich, als wäre ich in einem finsteren Labyrinth gefangen und könnte nicht mehr den Weg nach draußen finden.«
»Ja«, sagte Ista. »Aber zumindest seid Ihr nicht mehr allein in diesem Labyrinth.«
Sein Lächeln flackerte wieder auf. Er drückte ihre Hand.
»Allerdings. Meine Gesellschaft wächst zusehends, seit die Götter Euch hierher geleitet haben. Das ist ein größerer Trost, als ich erwartet hatte.«
Das Tablett mit den Speisen wurde gebracht. Lord Arhys entschuldigte sich. Ista verließ sich darauf, dass er sicher zu seinem Bett finden würde, ehe sein mittäglicher Zusammenbruch ihn überwältigte. Sie brachte ihre eigenen Leute wieder nach draußen, um Goram Zeit für die notwendigen Arbeiten zu geben. Dy Cabon allerdings wies sie an zu bleiben, zu helfen und zu beobachten.
Sie stützte sich aufs Geländer und verfolgte, wie Lord Arhys unter ihr verschwand, wobei er seine sich auflösende Seele eine feine Rauchwolke hinter sich her zog. Sie rieb sich die Handfläche, die immer noch prickelte, wo er sie berührt hatte.
Ich könnte davonlaufen. Kein anderer hier kann das, aber ich schon.
Wenn ich will.
17
F
oix stützte sich neben Ista aufs Geländer und beoba chtete, wie Arhys davonging. Er wirkte beunruhigt. »Ein bemerkenswerter Mann«, stellte er fest. »Wenn es die Absicht dieser jokonischen Zauberin war, Porifors von der strategischen Karte zu tilgen und seine Macht als Festung zu brachen, konnte sie vielleicht doch einen gewissen Erfolg verbuchen, indem sie so einen Befehlshaber geschwächt hat. Oder mehr als geschwächt, die Göttin verhüte.«
Liss kam herbei, stützte sich auf der anderen Seite Istas aufs Geländer, lauschte und runzelte besorgt die Stirn.
»Was habt Ihr von dem Dämon gespürt, als Ihr Lady Cattilara im Vorhof begegnet seid?«, wollte Ista von Foix wissen.
Er zuckte die Schultern. »Nichts Deutliches. Bloß ein … Kribbeln, ein Unbehagen …«
»Ihr habt ihn nicht als Schatten in ihrer Seele gesehen?«
»Nein, Majestät.« Er zögerte. »Ihr etwa?«
»Ja.«
Er räusperte sich. »Äh … könnt Ihr auch meinen sehen?« Abwesend strich er sich mit den Hand über den Leib.
»Ja. Er ähnelt dem Schatten eines Bären, der sich in einer Höhle verbirgt. Spricht
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