Paladin der Seelen
die Kehle durchgeschnitten. Vielleicht wird irgendeine mitleidige Seele auch mir die Kehle durchschneiden.
»Ich muss zugeben«, sprach Fürstin Joen über Istas Kopf hinweg weiter, »ich verstehe nicht, was es mit dem toten Mann auf sich hat.« Ihre Schritte schlurften durch den Schotter, näherten sich Arhys. Ista war nicht einmal zu einem Stöhnen fähig. Sie konnte kaum blinzeln. Ein Tropfen löste sich von ihrem Augenlid und fiel in den Staub.
Plötzlich ertönten Schreie vom Abhang her. Ista schaute über den Rand der Straße in das Tal dahinter. Um sie her und hinter ihr scharrten plötzlich die Stiefel der Männer. Sie hörte das metallische Singen eine Armbrust, und vor Sorge um Arhys stockte ihr der Atem. Hufschläge. Viele Hufschläge. Sie hämmerten, drängten, rutschten vom Kamm über ihnen herab. Ein wildes Jauchzen in einer vertrauten Stimme.
Sordso keuchte. Seine Stiefel knirschten auf dem Kies. Mit einem Ächzen hob er die leichten grünen Seidenschuhe, dass sie aus dem Blickfeld verschwanden. Seine Stiefel taumelten vor Istas Gesicht. Nahebei scharrten Hufe. Ista gelang es, den Kopf ein wenig weiter zu drehen. Es war das Pferd des Fürsten. Joen in ihrem kunstvollen Kleid klammerte sich unbeholfen an den Sattel, während sie von einem rennenden Träger in ruckartigem Trab hinterhergezogen wurde. Immer wieder warf der Mann angstvolle Blicke über die Schulter und sah den Hang hinauf.
Ein dumpfer Knall war zu vernehmen. Die unsichtbare Last, die Ista wie eine gewaltige Hand zu Boden drückte, verlor plötzlich an Kraft. Sie hörte das schneidende Geräusch, als Sordsos Schwert aus der Scheide gezogen wurde, und zuckte zusammen. Endlich gelang es ihr, den Kopf ganz herumzuwerfen. Ein Armbrustschütze war unvorsichtig genug gewesen, seine Blicke für einen Augenblick von Arhys abzuwenden, und jetzt befand sich der Graf im Nahkampf mit ihm. Einige dabeistehende Schützen hatten ihre Bolzen in die Luft sirren lassen und spannten nun verzweifelt die Waffen nach. Arhys riss einen Dolch aus einer Scheide am Gürtel des Mannes, mit dem er rang, und stieß ihn zur Seite, gerade rechtzeitig, um Sordsos Streich zu parieren. In Sordsos anderer Hand jedoch sammelte sich ein violettes Licht. Er stieß es nach vorn.
Die sengende, purpurfarbene Linie schnitt durch Arhys’ Körper, ohne Wirkung zu erzielen, und grub sich in den Boden dahinter. Sordso schrie überrascht auf und wich hastig zurück, als ein Gegenstoß des Dolches ihm beinahe das Schwert aus der Hand prellte. Aus dem Zurückweichen wurde eine Flucht.
Ein wahrer Erdrutsch aus Pferden überwältigte sie. Die jokonischen Armbrustschützen wurden zur Seite gestoßen und niedergeritten. Schwerter klirrten, Speere zuckten, geführt von wild schreienden Männern in graugoldenen Wappenröcken. Vor Istas Gesicht erschienen plötzlich Hufe, die so groß wie Teller zu sein schienen. Drei der langen Pferdebeine waren weiß und seidig, das vierte rot von Blut.
»Ich habe dir das Pferd mitgebracht, nach dem du gefragt hattest«, erklang Illvins keuchende Stimme von oben. Hinter den riesigen Hufen knirschten und rutschten vier weitere Pferdebeine. Dann der Ausruf: »Bei den fünf Göttern! Ist sie verletzt ?«
»Verhext, glaube ich«, gab Arhys keuchend zurück. Er kniete neben Ista nieder und hob sie mit kühlen, leblosen, willkommenen Händen auf und legte sie in die Arme seines Bruders.
Mit einem schwachen Ächzen landete sie auf dem Bauch über Illvins Schoß.
Illvin fluchte, griff kräftig durch den Rock nach ihren Oberschenkeln, und hielt sie fest. Irgendjemandem brüllte er über die Schulter zu: »Hol Goram!«
»Sie formieren sich neu!«, rief Arhys. »Lauf!« Der laute Klaps seiner Hand auf den Rumpf des weißen Pferdes war kaum nötig, um sie anzutreiben. Das Tier drehte bereits auf der Stelle. Sie stürzten den Hang hinunter, fort von der Straße.
Vor Istas hüpfender Nase wurde die Quelle des erschreckenden Blutes erkennbar: ein hässlicher Schnitt über Feders rechter Schulter, der heftig blutete. Verschwommen huschte der Boden unter ihr vorüber. Das Pferd zögerte, sein Körper spannte sich an. Illvin lehnte sich weit im Sattel zurück; sein Griff um Istas Bein wurde fest wie ein Schraubstock. Unvermittelt rutschten sie geradewegs die steile Hügelflanke hinab, in einem Sprühregen aus Schmutz und Steinen. Das Pferd bremste mit ausgestreckten Vorderbeinen. Beinahe schien es auf dem Hinterteil in die Tiefe zu schlittern. Illvin jauchzte
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