Paladin der Seelen
erneut. Peitschende Sträucher schlugen Ista ins Gesicht und zerkratzten ihre Haut. Wenn sie das Gleichgewicht verloren, würden sie alle drei Hals über Kopf herabstürzen, mit zerschmetterten Knochen und zerquetschten Leibern …
Doch die schier endlose Rutschpartie endete nicht in einer Katastrophe, sondern in einem wilden Platschen durch Porifors kleinen Fluss. Andere Pferde galoppierten nun rings um sie her. Illvin lockerte seinen krampfhaften Griff um Istas Oberschenkel und tätschelte abgelenkt und beruhigend ihr Gesäß.
Ista stellte fest, dass sie die Kontrolle über ihren Körper zurückgewann. Sie spuckte eine Mischung aus blutigem Flusswasser und Dreck aus. Was war mit dem Zauberfürsten geschehen? Offensichtlich war seine Aufmerksamkeit gänzlich von ihr abgelenkt worden. Für den Augenblick jedenfalls. Mit der Kontrolle kam leider auch das Gefühl zurück. »Ich glaube, ich muss mich übergeben«, murmelte Ista an die rot verschmierte Schulter des Pferdes.
Einen wundervollen Augenblick lang hielten sie. Illvin beugte sich vor und umfasste Ista mit seinen langen Armen; dann richtete er sie auf und drehte sie um, sodass sie auf seinem Schoß zu sitzen kam. Mit schwachem Griff umfasste sie seinen Oberkörper, der knochig war und schlüpfrig vor Schweiß. Auch er rang nach Atem. Irgendwo unterwegs hatte er sein Nachtgewand verloren, ebenso die Mistgabel. Sein Mund war blutig. Sein strähniges dunkles Haar hing ihm zerzaust ins Gesicht. Sein Körper war erhitzt vor Anstrengung. Aber er hatte keine ernsthaften Wunden davongetragen, wie sie mit ihren Händen ertasten konnte.
Er hob eine zitternde Hand an ihr Gesicht und wischte sanft die Mischung aus Pferdeblut, Schweiß und Schmutz ab, die es bedeckte. »Liebe Is… Königin, seid Ihr verletzt?«
»Nein, das ist alles von Eurem armen Pferd«, versicherte sie ihm. Sie vermutete, dass es das Blut war, was ihn beunruhigte. »Ich bin nur ein wenig ramponiert.«
»Ein wenig?« Er hob die Brauen, und der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht.
»Ich fürchte, ich werde von diesem Ritt blaue Flecken am Bauch davontragen.«
»Oh.« Seine Hand, die auf ihrem Leib lag, massierte ihn ein wenig unbeholfen. »Das tut mir Leid.«
»Entschuldigt Euch nicht. Was ist mit Eurem Mund geschehen?« Sie hob ihre Hand und berührte mit einem Finger die aufgerissene Kante.
»Ein Speerschaft.«
»O weh.«
»Besser als eine Speerspitze.«
Sie setzten sich wieder in Bewegung. Er blickte über die Schulter. Sie befanden sich auf einer kleineren Straße, kaum mehr als ein Weg, gegenüber der Hauptstraße auf der anderen Seite des Flusses. Andere Soldaten in grauen Wappenröcken ritten nun überall um sie her. »Eine schlechte Zeit, um sich draußen herumzutreiben. Der Heerzug aus Jokona, den wir überholt haben, ist einer von dreien, die in diesem Augenblick auf die Burg zuhalten. Das haben unsere Kundschafter berichtet. Bisher wurden allerdings keine Belagerungsmaschinen in ihrem Tross gesehen. Könnt Ihr Euch an mir festhalten, wenn wir in Galopp fallen?«
»Gewiss.« Ista setzte sich aufrecht hin und strich sich Haar aus dem Mund – sie war nicht sicher, wem es gehörte. Unter ihr spannten sich seine Beine an, und das weiße Pferd fiel ohne Übergang in seine ausgreifende, schaukelnde Gangart.
»Wo habt Ihr Eure Schar gefunden?«, stieß sie hervor und klammerte sich fester an seine glatte, schlüpfrige Haut.
»Ihr habt sie mir entgegengeschickt, vielen Dank dafür. Seid Ihr auch Seherin? Sie kamen mir auf der Straße entgegen, gerade als ich nach Porifors zurückgaloppierte, um sie zu holen.«
Ah. Dy Cabon war ihren Anweisungen also nachgekommen. Ein wenig zu früh, aber dafür würde sie ihn nicht tadeln. »Bloß eine Vorsichtsmaßnahme. Habt Ihr Liss, Cattilara und Foix gesehen? Wir haben versucht, sie vorauszuschicken.«
»Ja, sie ritten an uns vorüber, als wir auf den Kamm zuhielten, um den jokonischen Heerzug zu umgehen. Inzwischen sollten sie sicher innerhalb der Mauern sein.« Er drehte sich um und blickte über die Schulter, trieb sein Pferd aber nicht mehr an. Ista schloss daraus, dass sie für den Augenblick ihre Verfolger abgeschüttelt hatten. Die Schritte des großen Tieres wurden kürzer, seine keuchenden Atemzüge klangen angestrengter. Illvin lehnte sich im Sattel nach hinten und ließ zu, dass das Tier in einen langsamen Trab verfiel.
»Was ist da auf der Straße geschehen?«, fragte er. »Was hat Euch zu Boden gestreckt? War es
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