Paladin der Seelen
gesehen?«
»Das intensive Strahlen, als das ich dämonischen Zauber mit dem inneren Auge wahrnehme. Eine Art sengender Blitz. Sordso jedenfalls hatte offensichtlich erwartet, dass es wie ein sengender Blitz wirken würde. Doch es ging durch Euch hindurch, ohne Schaden anzurichten, als wärt Ihr gar nicht vorhanden.«
Sie schauten beide zu dy Cabon, der unsicher die riesigen Hände öffnete. »In gewisser Hinsicht ist er auch gar nicht vorhanden. Nicht so, wie eine lebende Seele, oder wie ein Dämon. Die wahren verlorenen Geister sind von allen Wirklichkeiten geschieden, sowohl von der Welt der Materie wie auch von der des Geistes.«
»Also ist er gefeit gegen Zauberei?«, setzte Ista an. »Und doch ist es Zauberei, die ihn jetzt erhält. Hochwürden, das verstehe ich nicht.«
»Ich werde darüber nachdenken …«
Plötzlich erschien ein wirres Durcheinander violetter Lichtlinien überall im Raum; das Licht loderte auf und verging. Foix zuckte zusammen. Einen Augenblick später tat das auch jeder andere, als Gefäße mit Tee oder Wein oder Waschwasser umkippten oder zerbrachen oder splitterten. Illvins Tonbecher zerbarst ihm in der Hand, gerade als er ihn an die Lippen hob, und er sprang zurück, um Spritzer auf seinem graugoldenen Wappenrock zu vermeiden.
»Wie es scheint, sind Joens Zauberer nun in Stellung«, stellte Ista tonlos fest.
Mit vor Bestürzung weit aufgerissenen Augen schwang Foix herum. In seinem Innern hatte der Bärenschatten sich aufgerichtet, schien zu tief in der Kehle zu grollen. »Was soll das? Eine Warnung? Wenn sie so etwas tun können, warum lassen sie dann nicht unsere Leiber aufplatzen, oder unsere Kopie, und bringen es zu Ende?«
Dy Cabon hob zitternd die Hand. »Entlaufene Dämonen können nicht unmittelbar töten …«
»Der Todesdämon des Bastards kann es«, wandte Ista ein. »Ich habe es erlebt.«
»Das ist ein ganz besonderer Fall. Die Dämonen, die in die Welt des Stofflichen geflohen sind … nun, sie könnten vielleicht unmittelbar töten, aber … der Tod öffnet ein Portal zu den Göttern. Ob die Seele dieses Portal dann durchschreitet, ist eine Frage der Entscheidung, doch in diesem Augenblick steht das Tor in beide Richtung offen. Und der Dämon könnte wieder eingefangen werden.«
»Aber sie springen davon, wenn ihr Wirt getötet wird …«, bemerkte Foix.
»Ja, aber wenn man mit Zauberei tötet, entsteht eine Verbindung zwischen dem Zauberer und seinem Opfer. Die Anstrengung und Nachwirkungen sollen auch den Zauberer sehr in Mitleidenschaft ziehen.« Nachdenklich hielt er inne. »Wenn natürlich der Zauberer seine Magie benutzt, um Euer Pferd von einer Klippe springen zu lassen, oder wenn er auf eine andere indirekte Weise Euren Tod bewirkt, ist er dieser Gefahr nicht ausgesetzt.«
Ein keuchender Krieger in grauem und goldenem Wappenrock stürmte durch die Tür. »Lord Arhys! Ein jokonischer Unterhändler ist am Tor und fordert Verhandlungen.«
Arhys sog den Atem zwischen den Zähnen ein. »Also tatsächlich eine Warnung. Nun, damit haben sie meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Illvin, Foix, dy Cabon, Majestät … wollt Ihr mich begleiten? Ich brauche Euer Sehvermögen und Euren Rat. Aber haltet Euch hinter den Zinnen in Deckung und außer Sicht, so gut Ihr es vermögt.«
»Ja.« Ista verharrte kurz, löste die Verengung an Cattilaras Hals und stellte sicher, dass der Dämon ruhig blieb. Foix sah ihr schweigend zu, bezog dann schützend Stellung neben Istas Schulter. Liss war in Arhys’ Aufzählung nicht genannt worden, stand aber trotzdem auf, mit gekreuzten Armen und hochgezogenen Schultern, als wolle sie sich klein machen und nicht auflallen.
Illvin schritt hinter Arhys zur Tür. Plötzlich hielt er an und fluchte. »Die Zisternen!«
Arhys wandte den Kopf. Die beiden sahen einander an. Illvin klopfte seinem Bruder auf die Schulter. »Ich sehe nach und treffe dich am Tor.«
»Beeil dich, Illvin.« Arhys bedeutete allen, ihm zu folgen. Illvin wandte sich auf der Galerie zur Seite und lief los.
22
S
ie überquerten den blumengeschmückten Innenhof und stiegen hinter Arhys die Treppe hinauf. Über dem Tor gab es eine vorspringende Brüstung. Arhys schob sich an den Armbrustschützen vorbei, die entlang des Wehrgangs standen, stieg auf die Spitze der Zinnen und starrte von dort breitbeinig hinunter. Ista spähte zwischen den ausgezackten Steinen hindurch.
Zur Rechten beschrieb die Straße eine Biegung nach Oby, und dort schlugen die Jokoner
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