Paladin der Seelen
dachte Ista, dass dies ein sehr viel gnädigeres Schicksal wäre, als ein Geistlicher des Bastards für gewöhnlich erwarten konnte, wenn er in einem solchen Konflikt in die Hände der aufgebrachten viergläubigen Truppen fiel.
»Nun kommt, Jokoner. Soll ich auf Euch herunterspucken?«, fragte Arhys.
»Bitte spart Euch den Speichel, Lord Arhys. Ich habe gehört, solche Flüssigkeiten werden bald schwer zu finden sein – auf Eurer Seite der Mauer.«
Lord Illvin erschien gerade hinter der Brüstung und bekam diese Aussage noch mit. Er lächelte säuerlich. Mit einem raschen Blick über Istas Kopf hinweg erfasste er die feindliche Aufstellung. Arhys sah zu ihm hinab. Illvin lehnte seine Schulter gegen die Mauer unterhalb der Füße seines Bruders und schaute auf den Innenhof. Mit gedämpfter Stimme, damit die Jokoner nichts davon hören konnten, berichtete er: »Sie haben beide Zisternen erwischt. Sie sind durchlöchert wie Siebe. Ich habe Männer abgestellt, und sie schöpfen mit jedem unversehrten Gefäß, das sie auftreiben können. Außerdem versuchen sie, die Zisternen mit Segeltuch einzufassen, damit sie nicht so schnell leer laufen. Aber das nützt nicht viel.«
»In Ordnung«, murmelte Arhys, hob die Stimme wieder und sagte zu dem Unterhändler: »Wir lehnen Eure Bedingungen selbstverständlich ab.«
Der Jokoner nahm diese Antwort mit grimmiger Befriedigung entgegen. Offenbar hatte er nichts anderes erwartet. »Fürst Sordso und Fürstinnenwitwe Joen erweisen Euch eine unverdiente Gnade. Sie gewähren Euch einen Tag, um Eure Haltung zu überdenken. Morgen werde ich zurückkehren und Eure neue Antwort hören. Außer natürlich, Ihr sendet früher nach uns.« Er verneigte sich und wich langsam zurück, nur unzureichend gedeckt von seinen beiden Wachen. Erst nachdem er schon ein gutes Stück entfernt war, wagte er der Burg den Rücken zuzuwenden.
Nicht nur die erwartete Antwort – offenbar sogar das gewünschte Ergebnis.
»Was geschieht nun?«, fragte dy Cabon besorgt. »Ein Angriff? Werden sie tatsächlich einen Tag warten?«
»So weit würde ich ihnen nicht vertrauen«, befand Arhys und sprang wieder zurück auf den Wehrgang.
»Ein Angriff«, sagte Ista. »Aber bestimmt nicht durch ihre Truppen. Ich würde alles darauf setzen, dass Joen gern mit ihren neuen Schoßtieren herumspielen wird. Porifors ist die erste Gelegenheit, ihre Schar von Zauberern im offenen Kampf zu prüfen. Wenn die Ergebnisse sie zufrieden stellen …« Eine purpurne Linie, diesmal nur eine einzige, blitzte vor Istas innerem Auge auf.
Entlang des Wehrgangs rissen die meisten der gespannten Bogensehnen gleichzeitig. Einige Männer schrien auf, als sie von zurückschnellenden Sehnen getroffen wurden. Eine gespannte Armbrust wurde ausgelöst, und ihr Bolzen traf den Oberschenkel des am nächsten stehenden Mannes. Der schrie auf und stürzte rücklings von der Mauer, prallte auf die Steine im Innenhof und blieb reglos liegen. Sein entsetzter Kamerad starrte auf die Armbrust und schleuderte sie von sich, als hätte sie in seinen Händen zu brennen begonnen. Dann beeilte er sich, zu seinem gestürzten Gefährten zu gelangen.
Ein weiterer, noch dunklerer Blitz zuckte vorüber.
»Was jetzt?«, murmelte Foix beunruhigt und starrte die Reihe der entsetzten Bogenschützen entlang. Einige von ihnen zogen bereits Ersatzsehnen unter ihren Gürteln hervor und stellten fest, dass diese in ihren Händen zerfielen.
Einige Augenblicke später stieg über den Dächern im Innern der Burg eine Rauchwolke auf.
»Ein Feuer in den Ställen«, stellte Illvin fest. Seine ungerührte Stimme stand im Widerspruch zu seinem plötzlichen Sprung nach vorn. »Foix, ich brauche Eure Hilfe, bitte.« Er eilte die Treppen hinunter, wobei seine langen Beine drei Stufen auf einmal nahmen.
Nun fängt es richtig an, dachte Ista. Ihr Magen verkrampfte sich.
Liss’ Augen waren weit aufgerissen. »Majestät, kann ich mit ihnen gehen?«, keuchte sie.
»Ja, geh nur«, entließ Ista sie. Liss stürzte davon. Man würde jede hilfreiche Hand gebrauchen …
Und was ist mit mir?
Schließlich wandte sie sich von der Mauer ab.
Arhys lief hinter ihr her und rief: »Herrin, wollt Ihr nach Cattilara sehen?«
»Natürlich.« Immerhin eine Art von Aufgabe. Oder vielleicht wollte Arhys als umsichtiger Befehlshaber auch nur allen überflüssigen Ballast sicher an einem Ort untergebracht wissen.
Ista fand Cattilaras Damen aufgelöst vor. Sie sorgte dafür, dass sie sich
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