Paladin der Seelen
den Vorkehrungen der Geistlichen, konnte aber nicht weit genug springen, um in Sicherheit zu gelangen. Also wählte er als neuen Wirt einen Menschen, den der Goldene Heerführer nicht verbrennen würde: seine dreijährige Tochter Joen.«
»Fürstin Joen war all die Jahre eine Zauberin?«, rief dy Cabon überrascht.
»Eigentlich nicht.« Der Dämon formte ein kurzes, bitteres Lächeln mit Cattilaras Lippen. »Der Goldene Heerführer war rasend vor Wut und Schmerz. Er wandte sich seinem Gott im Gebet zu, und ihm wurde eine weitere Gabe gewährt. Der Vater ermöglichte es ihm, den Dämon einzuschließen, ihn im Innern des Mädchens in Schlaf zu versetzen. War Chalion erst unterworfen, wollte der Löwe in aller Heimlichkeit einen Heiligen des Bastards verschleppen, falls man einen solchen finden konnte. Dieser sollte dann nach den verbotenen quintarischen Riten den Dämon sicher aus seiner Tochter entfernen. So ritt der Goldene Heerführer in den Krieg.
Doch der Löwe von Roknar starb durch König Fonsas großes Opfer, ehe er seine Ziele erreichen oder heimkehren konnte. Die nun wieder zersplitterten Fürstentümer beschränkten sich für eine weitere Generation auf bloße Grenzkriege mit den quintarischen Königreichen. Und der eingekerkerte Dämon wartete auf den Tod seines Wirtskörpers, was ihn ein weiteres Mal in der Welt der Menschen freigesetzt hätte. Er wartete fünfzig Jahre.
Dann aber, vor ungefähr drei Jahren, ist irgendetwas geschehen. Die Umschließung zerbrach und ließ den Dämon frei, in Joen. Aber nicht in das gefügige Kind, das der Dämon sich einst erwählt hatte. Sondern in eine strenge, entschlossene, verbitterte und kampfbereite Frau.«
»Wie das?«, fragte dy Cabon.
»Ja«, sagte Illvin. »Warum hält es fünfzig Jahre und gibt dann nach? Wenn es nicht so vorgesehen war …«
»Ich weiß wie«, warf Ista ein. Ihr Geist brannte in grimmiger Befriedigung. »Ich glaube, ich kann genau den Tag und die Stunde bezeichnen. Ich werde es euch gleich erzählen. Aber still jetzt, lasst ihn fortfahren. Was geschah dann?«
Die dämonischen Augen betrachten sie mit einem Hauch von Respekt. »Joen war zu dieser Zeit in einer verzweifelten Lage. Sie war Mitregentin des Fürsten Sordso, gemeinsam mit ihren beiden intimsten Feinden: dem Heerführer von Jokona und dem Bruder ihres verstorbenen Gemahls. Sordso war ein ruppiger junger Säufer, der alle hasste. Der Feldherr und sein Onkel verschworen sich, um Sordso zu stürzen und den Onkel an seiner Stelle auf den Thron von Jokona zu bringen.«
Illvin sagte bedrückt: » Da wollte ich gegen Jokona losschlagen. Was für ein großartiger Zeitpunkt, gerade während der Palastrevolte …«
»Joen war verzweifelt«, fuhr der Dämon fort. »Sie glaubte – oder redete sich ein –, dass der alte Dämon eine Hinterlassenschaft ihres großen Vaters war, die ihr insgeheim verliehen wurde, um in so einer unglücklichen Stunde aufzusteigen und seinen Enkel vor Verrätern zu schützen. Also hielt sie den Dämon geheim und lernte von ihm. Der alte Dämon war erfreut, eine so gelehrige Schülerin vorzufinden, und brachte ihr alles bei. Er glaubte, bald den Spieß umdrehen und die Oberhand gewinnen zu können. Doch er unterschätzte Joens eisernen Willen, gestählt während vier Dekaden voll unterdrücktem Zorn. Der Dämon wurde nur noch mehr zu ihrem Sklaven.«
»Ja«, flüsterte Ista. »Das kann ich nachvollziehen.«
»Joens Mitregenten waren die ersten Feinde, denen sie ihre Aufmerksamkeit zuwandte – leichte Opfer, weil sie ihr so nahe standen. Der Onkel fand einen unauffälligen Tod. Den Feldherrn erwartete ein raffinierteres Schicksal, und bald wurde er zu Joens eifrigstem Unterstützer in allem, was sie wünschte.«
»Joen hängt dem vierfältigen Glauben an. Nach ihren Maßstäben lebt sie in Blasphemie«, wandte dy Cabon mit bestürzter Miene ein. »Doch ein schlechter Gläubiger der Vierfältigkeit ist noch lange kein guter Quintarier. Sie kann nicht einmal genug von Theologie verstehen, um auch nur einen Elementargeist zu kontrollieren, geschweige denn eine ganze Armee von Dämonen.«
»Allerdings nicht«, hauchte Ista.
Der Catti-Dämon redete weiter: »Ihre angeleinten Dämonen bedeuteten ihr bald mehr als nur eine Hilfe für Sordso: Sie wurden zu ihrer Freude, zu ihrem Glück. Endlich konnte sie ihrem Willen Geltung verschaffen und Gehorsam erlangen! Man folgte eiligst ihren Befehlen und lächelte auch noch dabei! Die Angehörigen ihrer Familie waren
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