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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Wappenrock hatte er schon vor Stunden ausgezogen, und sein schlichtes Leinenhemd, punktiert mit kleinen Funkenlöchern, war halb am Oberkörper festgeklebt.
    »Ah«, sagte er. Seine Stimme klang, als käme sie aus den Tiefen eines Minenschachts. »Hier seid Ihr.«
    Sie nickte ihm grüßend zu. Er stellte sich neben sie, und gemeinsam starrten sie hinunter auf das Unglück, das Burg Porifors hinter den täuschend ausdruckslosen und massiven Wällen befallen hatte.
    Sämtliche Stallgebäude waren abgebrannt. Geschwärzte Holzbalken lagen zwischen den Gebäuderesten verstreut, und eine Flut von zerbrochenen Dachziegeln hatte sich wie Blut darüber ergossen. Im Augenblick stieg kein weiterer Qualm empor, doch eine Ecke des Küchentrakts war ebenfalls geschwärzt und eingestürzt. Im Sternenhof herrschte heilloses Durcheinander – eine Galerie war zusammengebrochen, der Brunnen leer und mit Unrat verstopft. An einer Seite waren Pferde aneinander gebunden. Aus dieser hohen Warte sahen ihre Rücken seltsam lang gezogen aus. Die Menschen daneben eilten gebeugt und sorgenvoll daher.
    »Habt Ihr in letzter Zeit dy Cabon gesehen?«, wollte Ista von Illvin wissen.
    Dieser nickte. »Er harrt immer noch bei den Kranken aus. Wir haben inzwischen drei Räume mit Liegen voll gestellt. Ein halbes Dutzend Burschen haben gerade eben die Ruhr bekommen. Ohne Waschwasser braucht man nicht einmal Dämonen, um das in der ganzen Festung zu verbreiten. Bei der Hölle des Bastards. Wenn es so weitergeht, kann Sordso Porifors morgen im Sturm nehmen, und er braucht dazu nicht mehr als sechs Ponys, eine Strickleiter und einen Kinderchor aus dem Tempel.« Er biss die Zähne zusammen; sie zeichneten sich weiß in seinem geschwärzten Antlitz ab. »Oh.« Er hielt Ista den Beutel entgegen. »Wollt Ihr ein wenig gebratenes Pferdefleisch? Es ist nicht angefault. Noch nicht.«
    Ista musterte das Fleisch zweifelnd. »Ich weiß nicht. Ist es Feder?«
    »Nein, glücklicherweise.«
    »Nicht … jetzt, danke.«
    »Ihr solltet bei Kräften bleiben. Die fünf Götter wissen, wann wir wieder etwas zu Essen bekommen.« Er zog einen Brocken heraus und kaute pflichtbewusst darauf herum. »Liss?« Er hielt ihr den Beutel entgegen.
    »Nein, danke«, schloss sie sich mit dünner Stimme Ista an.
    Er schaffte es nicht, seinem eigenen Rat nachzukommen, und gab den Beutel an die früheren Bogenschützen, jetzt Steinewerfer, weiter, die ihn mit gemurmeltem Dank und weniger Abscheu entgegennahmen. Ein Krachen ertönte, als ein weiterer Balken in den Stallgebäuden nachgab und in einer Wolke von Ruß zu Boden fiel. Illvin kehrte zur Innenseite des Turmes zurück und starrte erneut auf die Katastrophe hinunter.
    »Das war ein Tag. Nicht einmal. Tränen des Bastards, was wird in einer Woche noch von uns übrig sein?«
    Mit zitternden Armen lehnte Ista sich auf die sonnengewärmten Steine. »Ich habe das alles auf Euch herabbeschworen«, sagte sie leise. »Es tut mir Leid.«
    Er runzelte die Stirn, stützte sich neben ihr auf einen Ellbogen und blickte zu ihr hinüber. »Ich bin mir nicht so sicher, ob Ihr diese Ehre in Anspruch nehmen könnt, Majestät. Das alles war schon vorbereitet worden, bevor Ihr noch bei uns angekommen seid. Hätte Eure Gegenwart nicht jetzt die Jokoner zum Angriff verlockt, hätten sie gewiss binnen eines weiteren Monats zugeschlagen – gegen eine Festung, deren zwei erfahrenste Befehlshaber tot und verrottet gewesen wären. Und keiner hätte die Schrecken erklären können, die aus dem Nichts auf uns herabgestürzt wären.«
    Ista rieb sich die schmerzende Stirn. »Also können wir uns nicht wirklich sicher sein, ob ich von Bedeutung bin. Nur, dass ich mich jetzt als Geisel und Schachfigur an Joen ausliefere.« Vielleicht. Sie starrte auf das Muster der Pflastersteine hinunter, tief unter ihr. Es gibt andere Möglichkeiten, zu vermeiden, dass ich eine Geisel werde.
    Er folgte ihrem Blick und musterte sie durchdringend aus verengten Augen. Dann streckte er zwei Finger in ihre Richtung und drehte sanft ihr Gesicht zu sich. »Ihr seid für mich von Bedeutung«, sagte er. »Jede Frau, die einen Mann mit einem Kuss aus dem Todesschlaf wecken kann, ist einen zweiten Blick wert, würde ich sagen.«
    Ista schnaubte bitter. »Ich habe Euch nicht mit einem Kuss geweckt. Ich habe nur den Fluss Eures Seelenfeuers unterbrochen und neu ausgerichtet, so wie ich es später bei Cattilara getan habe. Der Kuss war einfach nur … Wollust.«
    Er verzog die Lippen zu

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