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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Pferdefleisch, aber zumindest war es frisches Pferdefleisch. Seine dunklen Augen glitzerten unter den gesenkten Augenlidern, als ihre Arme sich um seinen narbigen Oberkörper legten und zu sich heranzogen. Was hatte sie dy Cabon zugefaucht – oben imitieren, was unten begehrt wird?
    Einige Minuten später – zu viele? Zu wenige? – hob er den Kopf wieder und schob sie ein wenig von sich, als wolle er sie ansehen, ohne schielen zu müssen. Sein leichtes Lächeln war nun frei von jeder Ironie, aber nicht frei von Befriedigung. Sie blinzelte und trat zurück.
    Liss saß auf der gegenüberliegenden Seite der Plattform, mit überkreuzten Beinen gegen die Brüstung gelehnt, und starrte offenen Mundes zu ihnen empor. Die beiden Soldaten taten nicht einmal mehr so, als würden sie die Jokoner beobachten. Sie zeigten den gebannten Gesichtsausdruck von Zuschauern, die ein beängstigendes Schauspiel verfolgten und froh waren, nichts damit zu tun zu haben – einen verheerenden Großbrand zum Beispiel, oder den vordersten Mann auf einer Sturmleiter.
    Illvin murmelte: »Zeit ist, wo man sie sich nimmt. Sie wartet nicht auf einen.«
    »Das ist wahr«, flüsterte Ista.
    Eines musste sie seiner Liebelei lassen: Die Steine hatten als Lösung für ihre Notlage viel von ihrem Reiz verloren. Das war auch ohne Zweifel seine Absicht gewesen.
    Ein dunkelvioletter Lichtstrahl blitzte vor ihrem inneren Auge auf, und Ista drehte den Kopf in die Richtung, in die er zielte. Von irgendwo unten erklang ein empörter Schrei. Sie seufzte, zu erschöpft, um dem nachzugehen. »Ich habe nicht einmal mehr Lust, nachzuschauen.«
    Bei dem Schrei war Illvins Kopf ebenfalls herumgefahren. Doch offenbar teilte er ihren Überdruss an Schrecken, denn auch er beugte sich nicht weiter hinab. Dann aber schaute er zu ihr zurück, und seine Augen wurden schmal. »Ihr habt Euch herumgedreht, bevor wir etwas gehört haben«, stellte er fest.
    »Ja. Ich sehe die Angriffe der Zauberer als Lichtstrahlen vor meinem inneren Auge. Wie Blitze, die von einem Ausgangspunkt zu einem Ziel fliegen, oder wie dahinrasende Brandpfeile. Nur vom Sehen her kann ich allerdings nicht sagen, was sie bewirken. Sie alle sehen für mich ziemlich gleich aus.«
    »Könnt Ihr denn nur vom Sehen her Zauberer von gewöhnlichen Menschen unterscheiden? Ich kann das nicht.«
    »O ja! Sowohl Cattilaras Dämon wie auch der von Foix erscheinen mir als Gestalten aus Schatten und Licht innerhalb ihrer eigenen Seelen, die wiederum, da sie beide lebende Menschen sind, von ihren Körpern begrenzt werden. Foix’ Dämon besitzt noch immer die Form eines Bären. Arhys’ ausgebleichte Seele schleift ein wenig hinter ihm her, als müsse sie sich anstrengen, mit ihm Schritt zu halten.«
    »Aus welcher Entfernung könnt Ihr sagen, ob es sich bei einer bestimmten Person um einen Zauberer handelt?«
    Sie zuckte die Achseln. »So weit ich sehen kann, nehme ich an. Nein, weiter … mein inneres Auge kann die Umrisse von Seelen durch Materie hindurch wahrnehmen, wenn ich mich darauf konzentriere und vielleicht die äußeren Augen schließe, um die Ablenkung zu vermindern. Zelte, Mauern, Körper … das alles ist für die Götter durchsichtig, und für die Sicht, die sie verleihen.«
    »Was ist mit der Sicht eines Zauberers?«
    »Da bin ich mir nicht sicher. Foix schien nichts dergleichen zu besitzen, bevor ich meine mit ihm geteilt habe. Aber sein Dämon ist noch unerfahren.«
    »Huh.« Einen Moment lang stand er da, wirkte zunehmend nachdenklich. »Kommt hier rüber.« Er nahm sie bei der Hand und zog sie zur Westseite des Turmes, von wo aus man den Walnusshain sehen konnte. »Glaubt Ihr, Ihr könnt eine ausführliche Auflistung aller Zauberer von Joen geben? In ihrem Lager, von hier aus?«
    Ista blinzelte. »Ich weiß es nicht, ich könnte es versuchen.«
    Graue Schatten umspielten die Wurzeln der Bäume, obwohl ihre Wipfel noch immer goldgrün erstrahlten im Licht der untergehenden Sonne. Lagerfeuer funkelten zwischen den Zweigen und den blassen Schemen der zahlreichen Zelte. Die Stimmen der Menschen trugen weit genug, dass sie auf den Mauern noch gehört werden konnten, obwohl man nicht mehr zu verstehen vermochte, was sie auf Roknarisch sagten. Auf der entfernten Seite des Hains erglühte die Ansammlung der großen grünen Zelte mit den bunten Wimpeln dank der Lampen im Innern wie bunte Laternen.
    Ista atmete tief durch und ordnete ihre Gedanken. Sie griff mit ihren Sinnen aus, schloss die Augen. Wenn sie

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