Paladin der Seelen
einem leichten Lächeln. »Hattet Ihr nicht gesagt, es war ein Traum gewesen?«
Oh. Das hatte sie. Seine Mundwinkel hoben sich noch weiter, provozierend. »Eine dumme Eingebung«, sagte sie.
»Kommt schon, ich hielt es für einen hervorragenden Einfall. Ihr unterschätzt Euch, meine Dame.«
Ista errötete. »Ich fürchte, ich habe keine Begabung für …«, sie schluckte, »Liebeleien. Als ich noch jung war, war ich zu dumm. Jetzt bin ich zu alt, zu uninteressant.« Zu dumm, dann zu verrückt, dann zu uninteressant, dann zu spät. »Ich bin einfach nicht dafür geeignet.«
»Wirklich?« Er wandte sich um, lehnte sich gegen die Zinnen und nahm mit dem Ausdruck größter Neugier ihre Hand in die seinen. Mit einem rußverschmierten Finger fuhr er die Schmutzlinien auf ihrer Handfläche nach. »Weshalb nicht? Man hält mich für klug. Ich sollte es herausfinden können, wenn ich mich der Angelegenheit ein wenig widme. Ich könnte einen Grundriss der Burg Ista zeichnen, die Verteidigung erkunden …«
»Die Schwächen finden?« Entschlossen zog sie die Hand zurück.
»Meinetwegen, wenn ich mich ihr längere Zeit widme.«
»Lord Illvin, dies ist nicht die richtige Zeit und nicht der richtige Ort für solche Dinge!«
»Wahrhaftig. Ich bin so müde, ich kann kaum noch stehen.«
Es folgte ein Augenblick Schweigen.
Seine Lippen hoben sich und ließen die Zähne kurz aufblitzen. »Ha! Eure Mundwinkel haben sich bewegt. Ich habe es gesehen!«
»Haben sie nicht.« Jetzt taten sie es. Ista konnte es nicht unterdrücken, als sie sich an den Vogel in seinem Nest erinnerte.
»Noch besser – sie schmunzelt!«
»Tue ich nicht .«
»Die Dichter sagen, das Lächeln der Damen macht Hoffnung, doch ich gebe mich auch mit einem täglichen Schmunzeln zufrieden.« Irgendwie massierte sein Daumen schon wieder ihre Handfläche, fuhr die kleinen Muskelstränge entlang. Es fühlte sich wunderbar an. Sie wünschte sich, er würde ihre Schultern massieren, ihre Füße, ihren Hals, alles an ihr, was schmerzte. Und es schmerzte alles.
»Hattet Ihr nicht gesagt, Arhys wäre der große Verführer in Eurer Familie?« Sie versuchte, die Kraft aufzubringen, ihre Hand ein weiteres Mal zurückzuziehen, schaffte es aber nicht.
»Keineswegs. Er hat in seinem ganzen Leben noch nie eine Frau verführt. Sie haben sich alle von selbst aus dem Hinterhalt auf ihn geworfen. Nicht ohne Grund, kann ich Euch versichern.« Er lächelte kurz. »So ist das, wenn man der Übungspartner des besten Schwertkämpfers in Caribastos ist. Ich habe immer verloren. Doch wenn ich jemals dem drittbesten Schwertkämpfer in Caribastos begegne, dann dürfte der ein großes Problem haben. Arhys war stets besser, in allem, was wir angefangen haben. Doch ich bin mir ziemlich sicher, dass es eine Sache gibt, die ich kann, er aber nicht.«
Die Handmassage war schuld. Sie lullte Ista ein. Unbedacht sagte sie: »Was?«
»Mich in Euch verlieben, süße Ista.«
Sie sprang zurück. Dieses Kosewort hatte sie schon einmal gehört, doch nicht von diesen Lippen. »Nennt mich nicht so.«
»Bittere Ista?« Er runzelte die Stirn. »Verschrobene Ista? Ärgerliche, mürrische, muffelige Ista?«
Sie schnaubte. Er entspannte sich und lächelte wieder. »Nun, ohne Zweifel kann ich lernen, meinen Wortschatz anzupassen.«
»Lord Illvin, seid doch ernst.«
»Gewiss«, sagte er sofort. »Wie Ihr befehlt, Majestät.« Er verbeugte sich leicht. »Ich bin alt genug, um vieles zu bedauern. Meinen Anteil an Fehlern habe ich gemacht. Manche …«, er verzog das Gesicht, »… waren schrecklich, wie Ihr sehr wohl wisst. Doch es sind die einfachen, kleinen Dinge – die Küsse, die ich nie gegeben habe, und die Liebe, von der ich niemals sprach, weil nicht der richtige Zeitpunkt war oder nicht der richtige Ort, und dann keine Gelegenheit mehr. Das sind überraschend scharfe Kümmernisse, angesichts ihrer Größe. Ich denke, heute Nacht können wir unsere Gelegenheiten schwinden sehen. Also sollte ich von den Dingen, die ich zu bedauern habe, zumindest eins noch auskosten …«
Er beugte sich näher zu ihr. Fasziniert ließ sie es zu. Irgendwie hatte sein langer Arm den Weg um ihre schmerzende Schulter gefunden. Er zog sie zu sich heran. Er war ziemlich groß, stellte sie fest. Wenn sie nicht den Kopf in den Nacken legte, würde ihre Nase gegen sein Brustbein gedrückt. Sie blickte hinauf.
Seine Lippen schmeckten nach Ruß, salzigem Schweiß und dem längsten Tag ihres Lebens. Und nach
Weitere Kostenlose Bücher