Paladin der Seelen
versuchte, ihre Stimme nicht zu einem Kreischen werden zu lassen. »Sollen wir Euch dann zurücklassen, in einem in Stücke gehauenen Körper, der weder sterben noch genesen kann?«
»So viel Gefühl habe ich eigentlich gar nicht mehr im Körper …«, sagte Arhys. »Vielleicht wäre ich gar nicht gefangen.« Er hob seine atemberaubend grauen Augen und kreuzte den Blick mit Ista, und das plötzliche Leuchten darin erschreckte sie bis in die Tiefen ihrer Seele. »Vielleicht könnte ich erlöst werden.«
»Durch den Tod in Verdammnis? Nein!«, widersprach Ista.
»Allerdings nicht!«, sagte Illvin. »Ich wollte, dass der Ausfalltrupp herumschwenkt und nach Porifors zurückkehrt. Die anderen würden mitreiten, um dich zu schützen und dir den Weg zu den Zauberern freizuschlagen. Und um deine Rückkehr sicherzustellen.«
Arhys starrte in die Dämmerung hinunter. »Was denkst du, wie viele Männer wir dafür benötigen?«
»Am besten wären hundert, aber die haben wir nicht. Fünfzig könnten es schaffen.«
»Wir haben auch keine fünfzig. Wir haben nicht einmal zwanzig, jedenfalls nicht beritten.«
Illvin richtete sich von der Brüstung auf. Die Aufregung verschwand aus seinem Gesicht. »Zwanzig sind zu wenig.«
»Zu wenige, um loszureiten? Oder zu wenige, um zurückzukommen?«
»Wenn es zu wenige sind, um zurückzukommen, sind es auch zu wenige, um auszureiten. Das könnte ich von keinem Mann verlangen, wenn ich nicht selbst mitreite, und ich würde zwangsweise hier zurückbleiben müssen.«
»Nur in gewisser Hinsicht«, sagte Arhys. Er wirkte zunehmend angetan von dem Gedanken. »Wir sterben hier mit jeder Stunde mehr. Schlimmer noch – Lord dy Oby wird zügig zum Ersatz herbeireiten. Er war nie für Trödelei bekannt, und um seiner Tochter willen wird er diesmal noch weniger eine Verzögerung dulden. Ohne Warnung vor Joens dämonischer Täuschung werden er und seine Truppen in diese Falle eilen.«
»Er kann frühestens übermorgen hier sein«, sagte Illvin.
»Da wäre ich nicht so sicher. Wenn der heutige Kurier von den Jokonern abgefangen wurde und nicht in Oby angekommen ist, wird er sofort Bescheid wissen, denn ich weiß, dass ihn die Warnungen von dem Hinterhalt auf Foix und den Geistlichen erreicht haben. Die Festung von Oby ist bereits alarmiert.« Arhys runzelte die Stirn. »Je länger wir warten, umso schlechter wird unsere Verfassung sein.«
»Das scheint tatsächlich so«, räumte Illvin ein.
»Außerdem«, er senkte die Stimme, »wird auch mein Zustand nicht besser. Unsere Männer sterben inzwischen, ohne dass eine Klinge erhoben oder ein Pfeil abgeschossen wurde. Wenn es so weitergeht, können Sordsos Truppen bis morgen Abend ungehindert in eine Burg einmarschieren, die nur noch von Leichen bemannt ist – reglosen Leichen, abgesehen von einer. Und ich werde demselben Feind gegenüberstehen, allein, ohne Unterstützung.«
»Ah«, sagte Ista. Sie klang erschüttert.
»Hast du das nicht bis zu Ende gedacht? Ich bin überrascht. Majestät«, er wandte sich Ista zu, »ich bin jetzt schon verdammt. Werde ich von meinem Körper befreit, wird sich an diesem Zustand nichts ändern. Lasst es geschehen, solange noch ein wenig Ehre darin liegt. Irgendein Nutzen.«
»Arhys, das könnt Ihr nicht von mir verlangen.«
»Doch.« Er senkte seine Stimme noch mehr. »Und Ihr könnt es mir nicht verweigern.«
Ista zitterte, sowohl über seinen Vorschlag wie auch darüber, was er beschrieben hatte. Sie musste gestehen, dass dieses einsame Schicksal der logische Fortgang der Ereignisse sein würde.
»Nein, Arhys, das ist zu absonderlich«, widersprach Illvin.
»Sonderbar ist ein Mann, der seinen Tod herbeisehnt. Ich blicke auf meinen zurück. Ich denke, ich bin jenseits von sonderbar. Wenn dieses Wagnis eingegangen werden muss, so muss es bald sein. In der dunklen Stunde vor der Morgendämmerung.«
» Heute Nacht?«, sagte Illvin. Selbst er, der diesen Plan vorgebracht hatte, schien entsetzt zu sein über die plötzliche Beschleunigung.
»Gerade heute Nacht. Wir wurden mit äußerster Macht in die Defensive gedrängt, und die Jokoner halten uns für eingeschüchtert und rechnen nicht damit, dass wir den Spieß umdrehen. Wenn die Götter mir jemals die Gabe verliehen haben, den richtigen Augenblick auf dem Schlachtfeld abzupassen – ich schwöre, das ist er.«
Illvin öffnete den Mund, doch kein Laut kam hervor.
Arhys lächelte leicht und drehte sich wieder um. Im schwindenden Licht schaute er hinunter
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