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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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sich, und seinen rascher gehenden Atem. Sein ungleichmäßiges Keuchen verriet mehr von seiner Schwäche, als sein Gesicht es jemals tun würde. Der Hain zeichnete sich vor ihr ab; sein Schatten versprach Erleichterung von der stechenden Sonne über ihnen.
    Oh. Keine Erleichterung, gar keine. Sie marschierten durch ein Spalier der Toten. Ganz bewusst, entlang der linken Seite ihres Weges, als sollten sie Zeuge dieser Prozession werden, lagen die Körper der Männer von Porifors aufgereiht, die letzte Nacht während Arhys’ Ausfall getötet worden waren. Sie alle waren ausgezogen, und ihre Wunden waren schutzlos den schillernden grünen Fliegen ausgesetzt, die um sie her summten.
    Sie blickte auf die Reihe der bleichen Körper und zählte sie. Acht. Acht von den vierzehn, die gegen die fünfzehnhundert ausgeritten waren. Sechs mussten immer noch am Leben sein, irgendwo im Lager der Jokoner, verwundet und gefangen. Foix’ muskulöser Körper war nicht unter den reglosen Gestalten zu sehen. Pejars schon.
    Sie schaute noch einmal hin und zählte neu: Fünf leben noch.
    Es lag noch ein Neunter da, aber kein Körper. Eher ein … Haufen. Ein Speer war hinter dem Durcheinander in den Boden gerammt, und auf dem Schaft steckte Arhys’ entstellter Kopf. Blicklos starrte er über das jokonische Lager hinweg. Die einst so hinreißenden Augen waren herausgeschnitten worden – ein Soldat, verrückt vor Furcht, hatte noch versucht, an der leeren Hülle Rache zu nehmen.
    Zu spät. Er war fort, bevor du ihn erreicht hast, Jokoner. Ihre bloßen Füße stolperten über eine Wurzel, und sie schnappte vor Schmerz nach Luft.
    Illvin trat vor und ergriff ihren Arm, bevor sie der Länge nach hinfiel.
    »Sie wollen uns prüfen. Schaut nicht hin«, wies er sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch an. »Fallt nicht in Ohnmacht. Und übergebt Euch nicht.«
    Er sah so aus, als könne ihm jederzeit beides geschehen. Sein Antlitz war so grau wie die Gesichter der Leichen, obwohl seine Augen in einem Feuer loderten, wie sie es noch nie im Gesicht eines Mannes gesehen hatte.
    »Das ist es nicht«, flüsterte sie zurück. »Der Gott hat mich verlassen.«
    Seine Augenbrauen zuckten, bestürzt und verwirrt. Mit gezogenem Schwert wies der bronzehäutige Offizier sie an, zum gegenüberliegenden Ende des Hains weiterzugehen, obwohl er Illvin nicht länger dazu zwang, hinter ihr herzugehen. Vielleicht sah auch sie so aus, als wäre sie der Ohnmacht nahe.
    Sie überlegte sich, dass Illvin durchaus zu Recht von prüfen gesprochen hatte. Wenn einer von ihnen bisher tatsächlich noch irgendwelche unheimliche Macht verborgen gehalten hätte – oder überhaupt irgendwelche Stärke –, hätte dieses Schauspiel sie leicht zu irgendeinem zornigen, nutzlosen Schlag gegen die selbstgefälligen Feinde verleiten können. Wäre sie entweder eine Zauberin oder ein Schwertkämpfer gewesen, so hätte der Fürst gewiss nicht dieses Grinsen überlebt, das er über die Schulter zurückgeworfen hatte, als sie an Arhys’ Überresten vorübergetaumelt war. Doch vor einer gescheiterten Heiligen waren die Jokoner anscheinend ziemlich sicher.
    »Sie wollten Catti daran vorübergehen lassen«, murmelte Illvin unterdrückt. »Setz ihnen das auf die Rechnung, und die fünf Götter mögen geben, dass ich derjenige bin, der zum Kassieren kommt …« Seine Blicke flogen weiterhin von einem Zelt zum nächsten, verfolgten den Pfad der Verwüstung, den der Ausfall der letzten Nacht zurückgelassen hatte, schätzten den Zustand der Männer und Pferde ein, an denen sie vorüberkamen. Einige Dutzend höhnische Soldaten hatten sich versammelt und verfolgten ihre kleine Parade. Dünne, silbrige Spuren liefen Illvins Gesicht hinunter, doch er wollte sie nicht fortwischen vor diesem Publikum. Ista kannte nicht genug unflätiges Roknari, um all die Beleidigungen zu übersetzen. Doch bei Illvin war das ohne Zweifel der Fall. Sein verbissenes Gemurmel hielt an: »Sie bereiten sich nicht darauf vor, das Lager abzubrechen. Sie bereiten einen Angriff vor. Sollte uns das überraschen? Ha! Aber eines ist sicher. Sie haben keine Ahnung, wie schwach wir inzwischen sind. Ansonsten würden sie schon die Siegesfeier vorbereiten …«
    Wollte er sich damit von der Entweihung des Leichnams seines Bruders durch die Jokoner ablenken? Sie betete, dass diese Strategie bei ihm aufgehen mochte. Sie hielt mit ihren eigenen, blind gewordenen Sinnen nach irgendeinem Anzeichen des Gottes Ausschau. Nichts.

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