Paladin der Seelen
wider ihre Natur. Dennoch wütete der Kampf mit furchtbarer Gewalt, und der Dämon mit der großen Seele, der Liebling der Mutter, wurde in der Entscheidungsschlacht erschlagen.
Und so geschah es, dass der Letzte der Götter zur Welt kam, der Bastard, das Kind der Liebe zwischen der Göttin und dem Dämon mit der großen Seele. Manche sagen, er wurde am Vorabend der Schlacht gezeugt, als Frucht einer Vereinigung auf Ihrer großen Bettstatt. Andere behaupten, dass die trauernde Mutter nach dem Kampf die verstreuten Überreste des geliebten Dämons mit der großen Seele vom Schlachtfeld aufsammelte und mit Ihrem Blut vermischte, und so durch Ihr einzigartiges Geschick den Bastard schuf. Doch wie es auch gewesen sein mag, unter allen Göttern war allein diesem die Macht sowohl über Geist und Materie zuteil geworden, denn als Erbteil erhielt er jene Dämonen als Diener, die durch das große Opfer seines Vaters unterworfen, versklavt und aus der Welt verbannt worden waren.
Was ganz gewiss nicht stimmt«, fuhr dy Cabon unvermittelt in zornigem Tonfall fort, »ist der vierfältige Irrglaube, demzufolge der Dämon mit der großen Seele die Mutter mit Gewalt nahm und somit den Bastard gegen Ihren geheiligten Willen zeugte. Eine niederträchtige, unsinnige und lästerliche Verleumdung …!« Ista war sich nicht sicher, ob dy Cabon immer noch Ordol zitierte oder gerade seine eigene Fußnote hinzufügte. Er räusperte sich und schloss sehr viel förmlicher: »Hier endet die Erzählung und die Aufzählung vom Erscheinen der fünf Götter .«
Seit ihrer Kindheit hatte Ista die Legende vom Ursprung der Götter schon Hunderte von Malen und in den unterschiedlichsten Versionen gehört. Doch sie musste gestehen, dy Cabons Vortrag war sowohl redegewandt wie aufrichtig gewesen und ließ die alte Geschichte beinahe neu erscheinen. Gewiss, in den meisten Versionen wurde der verwickelten Entstehung des Bastards nicht mehr Raum eingeräumt als der übrigen Heiligen Familie zusammen, aber man musste schließlich jedem seinen bevorzugten Gott zubilligen. Gegen ihren Willen fühlte Ista sich gerührt.
Dy Cabon fuhr mit dem Gebet fort und erflehte den fünffältigen Segen, ersuchte von jedem der Götter die jeweiligen Gaben und leitete im Gegenzug die Teilnehmer der Andacht bei der Lobpreisung an. Die Tochter bat er um Gedeihen, Gelehrsamkeit und Liebe; die Mutter um Kinder, Gesundheit und Heilung; den Sohn um Freundschaft, Jagdglück und gute Ernte; und den Vater um Kinder, Gerechtigkeit und einen leichten Tod, wenn die Zeit gekommen war.
»Und der Bastard gewähre uns …«, dy Cabons Stimme war zu einem bedächtigen Singsang geworden; und nun stockte er zum ersten Mal, wurde noch langsamer, »… die kleinsten Gaben in größter Not: zum Hufeisen den Nagel, zur Achse den Stift, zur Angel den Zapfen und den Kiesel auf der Spitze des Berges, einen Kuss in der Verzweiflung, das eine richtige Wort. Und Verständnis in der dunkelsten Stunde.« Er blinzelte und blickte erschrocken.
Ruckartig hob Ista den Kopf. Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken. Nein. Nein. Da ist nichts, gar nichts. Nichts, verstehst du? Langsam atmete sie aus.
Das war nicht die übliche Formel gewesen. In den meisten Gebeten wurde nur der Wunsch geäußert, man möge von der Aufmerksamkeit des Bastards verschont bleiben; schließlich war er der Herr über alle außergewöhnlichen Unglücke, die sich ereignen mochten. Der Geistliche schlug hastig das heilige Zeichen, berührte sich an der Stirn, an der Lippe, dem Nabel, der Leiste und dem Herzen, wobei die Hand schließlich weit ausgebreitet auf der Brust liegen blieb, gleich über seinem fetten, vorstehenden Wanst. Dann wiederholte er die Geste noch einmal in der Luft, um den Segen auf alle herabzurufen, die hier versammelt waren. Erleichtert regte die Gesellschaft sich wieder, reckte sich, und einige stimmten geflüsterte Unterhaltungen an, während andere davongingen und sich wieder ihren alltäglichen Pflichten zuwandten. Dy Cabon schritt auf Ista zu. Er rieb sich die Hände und lächelte besorgt.
»Ich danke Euch, Hochwürden«, sagte Ista, »für diesen guten Anfang.«
Auf diese Anerkennung hin verbeugte er sich erleichtert. »Es war mir eine Freude, Majestät.« Seine Stimmung wurde noch besser, als die Dienstboten des Gasthauses herbeieilten und für ein überaus reichhaltiges Frühstück sorgten. Er gab sich sehr viel Mühe, und Ista schämte sich ein wenig, dass sie ihn auf eine vorgetäuschte
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