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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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düsteren, bewaldeten Tal auf. Sie entzündeten nur wenige Feuer, und auch nur lange genug, um die gestohlenen Hühner zu braten. Doch die Pferde brauchten Zeit, um das ebenfalls entwendete Heu und Korn zu fressen und wieder zu Kräften zu kommen. Das halbe Dutzend weiblicher Gefangener wurde zu einer Gruppe zusammengetrieben; dann erhielten sie Decken, die nicht schlechter waren als die ihrer Entführer – wahrscheinlich waren es dieselben. Auch ihr Essen war nicht schlechter als das der Jokoner. Jedenfalls waren es nicht die gegrillten Katzen. Ista fragte sich, ob sie auf dem Lager eines Toten schlief, und was für Träume es ihr bringen mochte.
    Sie wälzte sich hin und her und schlief unruhig; jedes ungewöhnliche Geräusch ließ sie erschrocken hochfahren, etwa, als eine andere Frau unter ihren Decken zu schluchzen begann. Doch Ista blieb von prophetischen Träumen verschont – und weitgehend auch von gewöhnlichen.
    Einer der verwundeten jokonischen Krieger starb in der Nacht, anscheinend an einem Fieber, das auf seine Verletzungen zurückzuführen war. Am Morgen wurde er rasch und ohne größeres Zeremoniell beigesetzt. Doch der Bruder in seiner Gnade nahm sich dennoch der Seele an, befand Ista; zumindest spürte sie nichts von der Präsenz eines verzweifelten Geistes, als sie an dem tristen, flachen, aufgewühlten Flecken Erde vorüberkam. Traurige Erinnerungen wurden wach; auch ihr Sohn Teidez war an einer entzündeten Wunde gestorben. Ista wartete ab, bis keiner der Jokoner in ihre Richtung blickte, dann machte sie verstohlen ein Segenszeichen über dem Grab des toten Jünglings, der einsam in einem fremden Land ruhte.
    Der Zug kehrte nicht wieder zur Straße zurück, sondern schlug sich weiter nordwärts durch die hügelige Wildnis. Daher kamen sie langsamer voran, und Ista konnte spüren, wie ihre Entführer mit jeder Stunde angespannter wurden.
    Die Berge zu ihrer Linken wichen zurück. Irgendwann in den späten Nachmittagsstunden überquerten sie die nicht gekennzeichnete Grenze zum Herzogtum Caribastos, und bald war die Kolonne immer wieder zu Umwegen gezwungen, die weiträumig um befestigte Städte und Dörfer führten. Die Wasserläufe wurden spärlicher. An einem dieser Bäche schlugen die Jokoner früh am Abend ein Lager auf und gönnten ihren Pferden eine Rast. Caribastos war ein Grenzgebiet Chalions und befand sich in der Nachbarschaft der fünf Fürstentümer. Dementsprechend war es gut bewaffnet, die Festungen besser in Stand gehalten und die Menschen aufmerksamer und stets auf örtliche Scharmützel vorbereitet. Der jokonische Trupp würde vermutlich versuchen, sich im Schutz der Dunkelheit durchzuschlagen. Noch drei weitere Tagesmärsche, schätzte Ista.
    Die kostbaren weiblichen Gefangenen wurden wieder ein Stück beiseite und unter die Bäume geführt. Man brachte ihnen zu essen und ließ sie dann in Frieden. Schließlich, im letzten Schein der tief stehenden Sonne, kam der ibranisch sprechende Offizier zu ihnen, begleitet von zweien seiner Vorgesetzten. Er hielt irgendwelche Papiere in der Hand, und seine Miene wirkte aufmerksam und verwirrt zugleich. Er blieb vor Ista stehen, die auf einem Holzklotz saß, mit dem Rücken gegen einen Stamm gelehnt.
    »Ich grüße Euch, Sera «, sagte er und betonte den Titel auf seltsame Weise. Ohne ein weiteres Wort reichte er Ista die Papiere.
    Es handelte sich um einen halb fertigen Brief, zerknittert von der langen Reise in einer Satteltasche. Ista fühlte Verzweiflung in sich aufsteigen: Der Brief war an Kanzler dy Cazaril in Cardegoss gerichtet. Nach einer respektvollen Auflistung sämtlicher Ämter und Würden des mächtigen Hofbeamten hieß es:
     
    Mein hoch verehrter Herr, ich werde meinen Bericht fortführen, soweit die Umstände es erlauben. Wir haben Casilchas verlassen und sind nun in Vinyasca. Hier wird morgen ein Fest gegeben. Ich war froh, als wir Casilchas hinter uns ließen. Hochwürden dy Cabon hat keinen Sinn für die erforderliche Geheimhaltung, nicht einmal für ein Mindestmaß an Diskretion. Als er fertig war, wusste die halbe Stadt, dass Sera dy Ajelo in Wirklichkeit die Königinwitwe Ista ist. Die Leute versuchten, sich einzuschmeicheln, und ich glaube, sie war nicht allzu glücklich darüber.
    Auf Grund meiner weiteren Beobachtung kann ich mich nun Eurem Urteil anschließen: Königin Ista ist nicht verrückt im üblichen Sinne, obwohl es Augenblicke gibt, da ich mich in ihrer Gegenwart dumm und unbehaglich fühle. Es ist, als

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