Paladin der Seelen
Schmuck, dass ich ihnen etwas einbringen kann …«
Inzwischen trug die Frau natürlich keinen Schmuck mehr.
»Nur ihrer Gier wegen bin ich vorerst verschont geblieben, nehme ich an, obwohl sie mein Mädchen missbraucht haben … Ich hoffe, sie ist noch am Leben. Alle weniger wertvollen Gefangenen haben sie in der Wildnis zurückgelassen, weil sie beim Aufstieg in die Berge im Weg waren. Wenn alle zusammengeblieben und nicht in Panik geraten sind, könnten sie inzwischen in Sicherheit sein. Ich hoffe nur, sie haben die Verwundeten mitgenommen.«
Ista nickte verstehend. Sie fragte sich, weshalb Fürst Sordso von Jokona diese Meute ausgeschickt hatte. Es schien nicht der Beginn einer Invasion zu sein, sondern eher ein Vorstoß, um die Stärke der Gegner zu erproben. Vielleicht wollte er bloß Nord-Ibra in Aufruhr versetzen und die Truppen des alten Königs in Verteidigungskämpfen binden, damit sie Chalion während des Herbstfeldzugs gegen Visping nicht zur Seite stehen konnten. Wenn dem so war, hatten sie die ibranischen Truppen ein bisschen zu schnell aufgescheucht. Obwohl natürlich die Möglichkeit bestand, dass diese Männer ohne ihr Wissen als Opfer eingeplant waren …
Die leicht Verletzten ritten ebenfalls mit dem Tross. Die schwer Verletzten, vermutete Ista, waren unterwegs zurückgelassen worden, der zweifelhaften Gnade ihrer früheren Opfer ausgeliefert. Ein Mann fiel Ista besonders auf: Ein älterer Offizier von sehr hohem Rang, seiner Kleidung und Ausrüstung nach zu urteilen. Er trug keinen Verband und hatte keine sichtbare Wunde, war aber an den Sattel gebunden wie ein Gefangener und ritt stöhnend und mit ausdruckslosem Gesicht dahin. Seine Zöpfe hingen schlaff herab. Vielleicht hatte er einen Schlag auf den Kopf bekommen? Sein Sabbern und die sinnlosen Laute, die er ausstieß, raubten Ista den letzten Nerv. Sie war beinahe erleichtert, als der Tross sich neu formierte, sodass der brabbelnde Mann weiter weg von ihr ritt.
Einige Meilen weiter die Straße entlang trafen sie auf jene Männer, die Liss hinterhergeschickt worden waren. Beide ritten auf einem vor Schwäche taumelnden Pferd und zogen das zweite, lahmende Tier hinter sich her. Ihr erboster Vorgesetzter empfing sie mit Schlägen und wilden roknarischen Flüchen. Die beiden zu Schanden gerittenen Tiere wurden losgebunden und durch zwei der zahlreichen Ersatzpferde ersetzt. Ista unterdrückte ein grimmiges Lächeln. Ferdas Karten wurden ein weiteres Mal ausführlich zurate gezogen, und weitere Kundschafter wurden ausgesandt. Dann setzte die Kolonne sich wieder schwerfällig in Bewegung.
Eine Stunde später erreichten sie den Weiler, wo Istas Schar ursprünglich ostwärts auf die Straße nach Maradi hatte abschwenken wollen. Er war vollständig geräumt worden. Kein Mensch war zu sehen, nicht einmal ein Tier, abgesehen von ein Paar vereinzelten Hühnern, Katzen und Kaninchen. Es scheint, als hätte Liss es bis hierher geschafft, dachte Ista zufrieden. Eiligst durchstöberten die Jokoner den Ort und nahmen alles an Vorräten mit, was sie finden konnten. Sie stritten darüber, ob sie die Siedlung in Brand setzen sollten, diskutierten ein weiteres Mal über den Karten und folgten schließlich so schnell sie konnten der schmäleren Fortsetzung der bisherigen Straße weiter nach Norden. Noch behielten Disziplin und Besonnenheit die Oberhand, drohten aber jederzeit zu kippen.
Der Weiler blieb hinter ihnen zurück, ohne dass sich Rauchsäulen von den Häusern erhoben, die über Meilen hinweg sichtbar und eine Wegmarke für jeden gewesen wären, der Ausschau nach ihnen hielt. Die Sonne versank hinter den Bergen.
Allmählich senkte sich die Abenddämmerung herab, und die Kolonne verließ die leichter zu begehende, zugleich aber ungeschützte und damit gefährliche Straße. Sie kämpfte sich einen Abhang empor, der zu jeder anderen Jahreszeit ein trockenes Geröllfeld gewesen wäre; nun allerdings plätscherte ein Flüsschen in der Mitte herab. Nach einigen weiteren Meilen bogen sie wieder nach Norden ab und bahnten sich einen Weg durch Gestrüpp, bis sie zu einem Platz gelangten, der dichter mit Bäumen bestanden war und mehr Deckung bot. Offenbar ging es den Roknari um Verstohlenheit, doch Ista fragte sich, was ihnen das Versteck nutzen sollte: Sie ließen so viele Hufabdrücke, Pferdeäpfel und geschundene Vegetation hinter sich zurück, dass ein Blinder der Fährte hätte folgen können.
Die Reiter aus Jokona schlugen ihr Lager in einem
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