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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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die Öffnung und fühlte den klebrigen Kuss dieser Lippen. Verzweifelt suchte sie nach einem Pochen oder Zittern, nach irgendeinem Anzeichen dafür, dass sein Herz noch schlug. Sie war sich nicht sicher. Wagte sie es, ihr Ohr an seine Brust zu legen?
    Die Erinnerung traf sie wie ein Blitz. Plötzlich stand er wieder vor ihrem geistigen Auge, der hoch gewachsene, magere Mann aus ihrem Traum … und der rote Blutstrom, der zwischen ihren Fingern hervorquoll wie eine Flut …
    Ista riss die Hand zurück.
    Diese Verletzung habe ich schon einmal gesehen.
    Sie spürte, wie ihr Puls schneller ging und hörte das Blut in den Ohren rauschen. Ihr Kopf fühlte sich an wie mit Watte ausgestopft.
    Es war dieselbe Wunde, sie hätte es beschwören können, genau dieselbe Wunde, bis in jede Einzelheit. Aber am falschen Mann.
    Götter, was ist das für ein Grauen?
    Und während sie noch zusah, öffneten sich seine Lippen. Seine entblößte Brust hob sich zu einem tiefen Atemzug. Von beiden Enden her wuchs die Wunde langsam zusammen, der dunkle Schlitz wurde blasser, die Haut straffte sich. Glättete sich. Augenblicke später war nur noch eine blasse rosa Narbe zu sehen, gesäumt von einem rötlich braunen, eintrocknenden Fleck. Er atmete mit einem schwachen Stöhnen aus und bewegte sich.
    Ista sprang auf, die Finger der Rechten krampfhaft um das klebrige Blut auf der Handfläche geschlossen. Atemlos schlüpfte sie aus dem Zelt und stand blinzelnd im Freien. Sie hatte das Gefühl, dass ihr alles Blut aus dem Gesicht gewichen war. Der schattige Hain drehte sich vor ihren Augen. Rasch umrundete sie das Zelt und suchte Deckung zwischen seiner Rückseite und dem hohen, dicken Stamm des Olivenbaumes. Dort verweilte sie einen Augenblick, von niemanden zu sehen, und schöpfte Atem. Sie hörte das Feldbett knirschen, spürte Bewegungen auf der anderen Seite der undurchsichtigen Segeltuchwände, und vernahm schließlich ein Seufzen. Sie öffnete die rechte Hand und blickte auf den blutroten Schleier.
    Ich verstehe das nicht.
    Eine Minute später fühlte sie sich kräftig genug, dass sie gehen konnte, ohne zu straucheln, atmen konnte, ohne zu schreien, und ein ausdrucksloses Gesicht zu wahren, das nichts verriet. Sie gelangte zurück zu ihrem Sitz und ließ sich darauf fallen. Die Akolythin regte sich und richtete sich auf. »Majestät? Oh, ist es schon wieder Zeit zum Aufbruch?«
    »Ich nehme es an«, erwiderte Ista und stellte erleichtert fest, dass ihre Stimme nicht zitterte oder schrill. »Lord Arhys hat sich erhoben, wie ich sehe …«
    Arhys schlug die Zeltplane beiseite und trat ins Freie. Er musste den Kopf neigen, um durch die Öffnung zu passen.
    Seine Stiefel hatte er wieder angelegt, und während er sich aufrichtete, befestigten seine Finger den letzten Verschluss der Tunika – einer Tunika, die keine Flecken oder Löcher aufwies. Er streckte sich, kratzte über seinen Bart und lächelte in die Runde, ganz das Bild eines Mannes, der sich soeben von einem erfrischenden Mittagsschlaf erhoben hat …
    Sein Diener eilte wieder herbei und half ihm, den Wappenrock und den Schwertgurt anzulegen. Der klein gewachsene Mann hielt auch einen dünnen Leinenmantel bereit, der kunstvoll mit Goldfäden umsäumt war. Nachdem Arhys den Mantel angelegt hatte, richtete der Diener den Faltenwurf aus, bis das Kleidungsstück mit fürstlicher Eleganz über den Waden schwang. Dann rief Arhys seinen Leuten ein paar Befehle zu – nicht allzu drängend –, und die Männer setzten sich in Bewegung und bereiteten alles zum Aufbruch vor.
    Die Akolythin erhob sich, sammelte ihre Sachen zusammen und verstaut sie. Ferda kam vorbei, auf dem Weg zu den Pferden. Ista rief ihn leise zu sich.
    Sie blickte in eine andere Richtung. Mit bewusst tonloser Stimme sagte sie zu ihm: »Ferda. Schaut auf meine rechte Hand und sagt mir, was Ihr dort seht.«
    Er beugte sich über die Hand und zuckte hoch. »Blut! Majestät, habt Ihr Euch verletzt? Ich werde die Akolythin holen …«
    »Nein, nein, ich bin nicht verletzt. Ich wollte nur wissen, ob … Ihr auch seht, was ich sehe. Lasst Euch nicht länger aufhalten.« Sie wischte die Hand an den Decken sauber und hielt ihm den anderen Arm entgegen, damit er ihr aufhelfen konnte. Einen Augenblick später setzte sie leise hinzu: »Erzählt keinem davon.«
    Verständnislos schürzte er die Lippen, salutierte und ging weiter.
    Der zweite Abschnitt ihres Rittes war sehr viel kürzer, als Ista erwartet hatte. Es ging nur noch ungefähr

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