Paladin der Seelen
nicht reden wollte, um Eure Ehre zu schützen oder die seine, gingen die Folterknechte in ihren Bemühungen zu weit, und er starb durch einen tragischen Zufall in den Kerkern des Zangres. Die Anklagen wegen Unterschlagung und geheimen Verhandlungen mit dem König von Brajar wurden nachträglich hinzugedichtet, um Ias’ Schuld zu verbergen. Das wurde von Ias ja auch stillschweigend bestätigt, indem er die Hinterlassenschaft von dy Lutez nicht eingezogen hat, wie es mit den Gütern wirklicher Verräter geschieht. Dy Lutez’ gesamtes Eigentum ging an die Erben über.«
»Das sind kluge Überlegungen«, stellte Ista fest. Und sie sind zu drei Vierteln zutreffend. Nur das eigentliche Geheimnis war ihm verborgen geblieben. »Es ist wahr, dy Lutez war fast so standhaft wie in Eurer Geschichte, die besser ist als die meisten Geschichten, die darüber erzählt werden.«
Er warf ihr einen raschen Blick zu. »Ich habe Euch beleidigt, Majestät. Ich bitte um Verzeihung.«
Mit Mühe hielt sie ihre Stimme unter Kontrolle. Es war ihr mit einem Mal sehr wichtig, ihm deutlich zu sagen, dass sie nicht die Geliebte seines Vaters gewesen war. Woran lag das? Was machte das nach all den Jahren noch aus? Arhys hegte edle und romantische Vorstellungen über dy Lutez – der ihn jedoch völlig ignoriert hatte, soweit sie feststellen konnte. Warum sollte sie ihm diese einzige Hinterlassenschaft rauben, die er von seinem Vater im Herzen trug?
Aus den Augenwinkeln musterte sie seinen hoch gewachsenen Körper, der lässige Kraft ausstrahlte.
Wenn sie ihn besser kannte, mochte sie es vielleicht wagen, ihm alles zu sagen. Dass sein Vater auf meinen Wunsch hin ertränkt wurde? Wie gut müsste ich ihn dafür wohl kennen?
Sie atmete tief durch. »Euer Vater war kein Verräter, weder im Bett noch außerhalb. Er war so tapfer und edel wie irgendein Mann, der Chalion jemals gedient hat. Um ihn zu zerbrechen bedurfte es einer Aufgabe, die die Kraft eines jeden Mannes überstiegen hätte.« Scheitern war kein Verrat, auch dann nicht, wenn es schreckliche Folgen nach sich zog.
»Majestät, Ihr verwundert mich.«
Ihr Mut verließ sie. Ganz wie bei dy Lutez, ist es nicht so? »Es handelt sich um ein Staatsgeheimnis, und ich habe Stillschweigen geschworen. Ias starb, ehe er mich von diesem Eid entbinden konnte. Ich habe den Schwur abgelegt, niemals einer lebenden Seele davon zu berichten. Mehr kann ich nicht sagen. Ich kann Euch nur versichern, dass Ihr den Namen Eures Vaters ohne Schande tragen könnt.«
Seine Stirn glättete sich. »Ein Staatsgeheimnis … oh.«
O ihr Götter, warum habt ihr mich hergebracht? Bin ich nicht gestraft genug? Treibt ihr Scherze mit mir?
Ista fuhr mit einer Gelassenheit fort, die sie nicht empfand: »Doch nun genug von der toten Vergangenheit. Erzählt mir vom lebenden, atmenden Jetzt. Erzählt mir von Euch.« Das sollte reichen, um den Rest des Weges mit leichter Unterhaltung zu verbringen; Ista musste nur noch gelegentliche, interessierte Lautäußerungen beisteuern, vorausgesetzt, Arhys war wie die meisten Höflinge, die sie kannte.
Er zuckte mit den Schultern. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich wurde in dieser Gegend geboren, und hier habe ich mein ganzes Leben verbracht. Seit meiner Jugend bin ich ausgeritten, um diesen Landstrich zu verteidigen. Meine Mutter starb, als wir … als ich zwölf Jahre alt war. Ich wurde von ihrem treuen … von anderen Verwandten großgezogen, und die Notwendigkeit machte mich zum Krieger. Porifors habe ich über meine Mutter geerbt, und der Herzog hat die Belehnung bestätigt, als ich alt genug war, um die Burg zu verteidigen. Die Besitztümer meines Vaters gingen zum großen Teil an seine erste Familie, obwohl mir noch einiger Grundbesitz hier in Caribastos zufiel. So war es wohl am zweckmäßigsten. Ich nehme an, die Testamentsvollstrecker hatten das ausgehandelt, aber zu jener Zeit wurde alles über meinen Kopf hinweg entschieden.«
Er verstummte abrupt. Offenbar war er fertig. Sein Vater war ein brillanter Geschichtenerzähler gewesen und hätte eine Tafel einen ganzen Abend lang unterhalten können, ohne ein Stichwort zu benötigen.
Arhys schaute sich um und blinzelte in das grelle Sonnenlicht. Dann setzte er noch einen Nachtrag hinzu: »Ich liebe dieses Land. Ich würde jede Meile davon sogar im Dunkeln wieder erkennen.«
Ista folgte seinem Blick. Die Berge waren gänzlich hinter dem Horizont verschwunden, und um sie her dehnte sich eine weite Landschaft mit
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