Paladin der Seelen
fünf Meilen über den nächsten Hügelkamm und zu einem Flusslauf hinunter. Die Straße beschrieb mehrere scharfe Kehren und wand sich einen steilen Hang hinab, und dann neben dem kleinen Fluss entlang zu führen. Arhys ritt neben dem Zug vor und zurück, lenkte sein Pferd schließlich aber doch neben Ista und Ferda. »Schaut, dort!« Mit einer überschwänglichen Geste deutete er nach vorn. »Burg Porifors.«
Ein weiteres befestigtes Dorf, viel größer als die vorherige Ansiedlung, schmiegte sich hier am Fuße einer hohen, zerklüfteten Felsnase an den Fluss. Entlang des Scheitels dieser Felsnase ragte eine Ansammlung unregelmäßig großer, viereckiger Mauerstücke, die hier und da mit runden Türmchen durchsetzt waren, drohend über dem Tal auf. Die glatten Wälle – mit Schießscharten und Zinnen gespickt –, bestanden aus sorgfältig gehauenen Steinen, die im einschmeichelnden Licht glänzten wie lauteres Gold. Andere Steine zeigten ein leuchtendes Weiß; sie führten in breiten Streifen rings um die Mauern herum und waren mit kunstvollen Reliefs aus ineinander verschlungenen Rankenmustern verziert – eine erlesene Steinmetzarbeit der Roknari, die erkennen ließ, dass das Bauwerk vor mehreren Generationen errichtet worden war, um Jokona vor Chalion und Ibra zu schützen.
Arhys ließ den Anblick auf sich wirken. Sein aufwärts gewandtes Gesicht zeigte einen seltsamen Ausdruck: Begierde und Anspannung, Sehnsucht und Zögern zur gleichen Zeit. Und für einen winzigen Augenblick wirkte er müde jenseits aller Vorstellungskraft. Dann aber wandte er sich mit einem Lächeln an Ista. »Kommt, Majestät! Wir sind fast da.«
Sie ließen einen weiteren Teil des Trosses und die meisten Soldaten im Dorf zurück. Arhys führte seine verbleibende Truppe sowie Ferdas Männer an den unbedeutenderen Befestigungen des Ortes vorüber und einen schmalen Pfad hinauf. Im Gänsemarsch ging es über Kehren den Steilhang hinauf. Grüne Büsche klammerten sich in Schwindel erregender Weise an den Felsen fest; ihre Wurzeln glichen zupacken den Fingern. Die Pferde mühten sich den letzten, a temlosen Abhang empor. Grüßende Rufe erklangen von oben und hallten zwischen den Felsen wider. Mit derselben Leichtigkeit hätte man aber auch Pfeile und Steine auf sie herabregnen lassen können, wären sie Angreifer gewesen.
Die Kavalkade umrundete die Mauern und hielt auf eine Zugbrücke zu, die einen tiefen, natürlichen Felsspalt überspannte, der unter dem Sockel der Wälle noch etwa zwanzig Fuß weiter abfiel. Arhys ritt inzwischen an der Spitze des Zuges. Vor den Toren winkte er und stieß einen Triumphschrei aus. Er trieb sein Pferd an und galoppierte unter dem Torbogen hindurch, wobei die Hufe seines Pferdes gleichsam einen Trommelwirbel schlugen.
Ista folgte ihm in weniger halsbrecherischem Tempo und fand sich plötzlich in einer Umgebung wieder, die wie eine andere Welt wirkte, wie ein verwilderter Garten. Der rechteckige Vorhof war von riesigen Kübeln gesäumt, in denen blühende Blumen und üppige Sträucher wuchsen. Eine Wand war vollständig mit weiteren Töpfen bedeckt, die an Ringen befestigt waren, die man in die Fugen der Mauer getrieben hatte. Farbkaskaden ergossen sich von dort über die hellen Steine – lila, weiß, rot, blau, rosa – und vermischten sich mit den wuchernden grünen Ranken. Eine andere Mauer bot den Hintergrund für einen Aprikosenbaum, der zu gewaltiger Größe herangewachsen war und seine Zweige mit denen eines ebenso alten Mandelbaumes verflocht. Beide standen in voller Blüte. Am gegenüberliegenden Ende des Hofes ruhte ein Balkon auf einer Arkade aus eleganten Steinsäulen. Ein Treppenaufgang mit zierlichen Schnitzereien senkte sich von dort wie ein Wasserfall aus weißem Alabaster in den Hof hinab.
Eine hoch gewachsene junge Frau flog förmlich diese Stufen hinunter. Ihr Antlitz strahlte vor Freude, und ihre Züge waren wie Elfenbein, mit einem Hauch von Rosa, umrahmt von schwarzem Haar, das auf dem Scheitel geflochten, hinten jedoch offen war; sanft gewellt wie fließende Seide lag es über ihren Schultern. Leichte Leinengewänder betonten die Anmut ihres schlanken Körpers, und eine blassgrüne Seidenrobe mit goldgesäumten Ärmeln umwehte sie und bauschte sich wie ein Segel, als sie zu den Ankömmlingen eilte. Arhys schwang sich von seinem gescheckten Pferd und warf einem Stallburschen die Zügel zu – gerade noch rechtzeitig, um den heftigen Ansturm der Frau mit offenen Armen aufzufangen
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