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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sein. Ein Gedanke, der ihn frösteln machte.
    Drüben, an der Reling, konnte er ihre dunkle Silhouette erkennen. Ihr Rücken war leicht gebeugt, und sie kam ihm plötzlich einsam und verzweifelt vor. Was mußte in ihr vorgehen, daß sie sich zu solch einem Schritt entschlossen hatte! Reue stieg in ihm auf. Ariadne ist im Recht, wenn sie sich über meine Zerstreuthei beklagt, dachte er.
    Schon in den letzten Tagen vor der Abfahrt hatte er kaum noch Gelegenheit gehabt, sich um sie kümmern. In langen Gesprächen mit Demonike und den Priesterinnen war das weitere Vorgehen beratschlagt worden. Gemeinsam hatten sie vereinbart, den Som mer über Beobachtungsposten aufzustellen, die die Küste vo Strongyle überwachen sollten. Beim ersten Auftauchen von Del phinschwärmen oder einzelnen Tieren würden sie ihn sofort be nachrichtigen. Sollte seine Vision sich aber bewahrheiten und die heiligen Tiere würden auch im Herbst ausbleiben, mußte die Inse evakuiert werden. Gleich nach seiner Rückkehr würde er mit Pasi phaë und den Priesterinnen sprechen, um die notwendigen Vor bereitungen dafür zu treffen.
    Auch nachdem der Anker gelichtet war und der Gaulos in Richtung Kreta segelte, hatte er an nichts anderes denken können Bisweilen war seine Zuversicht zurückgekehrt, aber immer wiede erschien das drohende Bild des schwarzen Berges vor ihm und ließ ihn erneut mutlos werden. Seine ständig wechselnden Ge mütslagen hatten Ariadne zutiefst verunsichert.
    Dazu kamen die kretischen Schiffsleute an Bord, von denen e sich ständig beobachtet fühlte, und er mußte sich eingestehen daß dies erst der Beginn eines schwierigen Versteckspiels war Deshalb hatte er sich in schroffe Unnahbarkeit geflüchtet und Ika ros dazu benutzt, die Aussprache hinauszuschieben, zu der ihn ihre vorwurfsvollen Blicke täglich drängender aufforderten. Sie spürte, daß er ihr etwas verbarg – Hatasu, ihren verwandtschaft lichen Grad und seine zwiespältigen Gefühle für sie. Es war nich richtig, Ariadne länger im unklaren zu lassen. Er mußte sie end lich über die wahren Verhältnisse aufklären, selbst wenn er sie da bei verletzte und sein Versprechen brach.
    Voll guter Vorsätze erhob sich Asterios und trat zu ihr. Als er sanft ihren Nacken berührte, den das hochgesteckte Haar entblößte, schrak sie zusammen.
    »Du hier?«
    »Ich war plötzlich wach«, sagte er. »Ein seltsamer Laut hat mich aus meinem Traum gerissen. Ich habe wieder die Todesbarke gesehen, Ariadne. Alles war so wie an dem Tag, an dem Merope uns für immer verlassen hat.«
    »Tod! Immer nur Tod!« fuhr sie auf. »Wie satt ich dein ständiges Gefasel von Gefahr und Sterben habe! Leben will ich, Asterios, leben!« Sie schlug ihren Umhang zurück und riß ihr dünnes weißes Leinenhemd bis zum Nabel auf. »Schau mich an«, sagte sie heiser. »Das ist, was zählt, was lebt, atmet, leidet und liebt.«
    Hart packte sie seine Hand und legte sie auf ihren Busen. Ihr Herz schlug wie rasend.
    »Mein Leben«, flüsterte Asterios bewegt. »Geliebte meines Herzens!«
    »Dann trink!« In ihrer erhobenen Hand hielt Ariadne ein Fläschchen, das mit einer trüben, milchigen Flüssigkeit gefüllt war.
    »Was ist das?« Enttäuscht zog er seine Hand zurück. Und er hatte ihr schon alles verraten und sich ganz in ihre Hand geben wollen! Scham über die eigene Schwäche verschloß ihm den Mund.
    »Frag nicht, trink!«
    »Nein!« brach es aus ihm heraus. »Nicht so!«
    »So ängstlich ist deine Liebe?« spottete Ariadne. »Sieh mich an, Asterios, Priester der Großen Mutter, mein über alles geliebter Bruder!«
    Sie öffnete die kleine Flasche, setzte sie an ihre Lippen und trank.
    Asterios riß ihr die Hand vom Mund weg. »Nicht alles, bist du wahnsinnig!«
    »Ja, ich bin wahnsinnig«, lächelte sie undurchdringlich. »Ich fürchte mich nicht vor dem Tod, von dem du unablässig sprichst. Was könnte schöner sein, als in deinen Armen zu sterben?« Dann wurden ihre Augen schmal. »Du hast mich belauscht«, fauchte sie. »So sieht dein Vertrauen aus!«
    Asterios streckte die Hand nach ihr aus. »Warum nur, Ariadne?« murmelte er. »Gibt es keinen anderen Weg für uns?«
    »Ich will, daß du keine Fragen stellst«, wich sie zurück. »Sei auf der Hut, mein Geliebter, du kommst nicht so einfach davon. Läßt du meine Liebe sterben, wird Haß aus ihrer Asche geboren – glühender Haß, der dich für immer verfolgt.«
    Asterios schüttelte sie heftig. »Was redest du da? Wach auf!«
    Leblos wie eine

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