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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Stoffpuppe hing sie in seinen Armen und stierte ihn aus fiebrig glänzenden Augen an. »Es beginnt schon zu wirken«, keuchte sie. »Ich spüre, wie es feurig durch meine Adern kreist. Es steigt mir in den armen Kopf, der nie Ruhe bekommt. Trink, Asterios, trink! Dann liebst und leidest du wie ich.«
    Plötzlich hielt sie inne und schaute ihn wieder aus klareren Augen an, als sei sie von weither zurückgekehrt. Sie raffte ihr zerrissenes Hemd über der Brust zusammen.
    »Du trinkst nicht?« fragte sie ruhig, fast kühl.
    »Nein, ich trinke nicht.«
    »Ganz wie du willst.« Sie stand vor ihm mit hängenden Schultern, als sei alle Kraft aus ihrem Körper gewichen. Die Wolken über ihnen waren so schwarz, daß er ihr leicht abgewandtes Gesicht kaum noch erkennen konnte. Die ersten Tropfen fielen. Mit einem kaum vernehmbaren Seufzer drehte sich Ariadne um und war von der Nacht verschluckt.
    Er schaute ihr mit brennenden Augen nach. Sein Körper wiegte sich im Rhythmus des Schiffes, das sich seinen Weg durch die hohen Wellen bahnte. Nicht mehr lange, dachte er, und die Nordküste Kretas wird vor uns liegen. Was wird nach unserer Ankunft geschehen? Wie soll ich künftig der Göttin demütig dienen, wenn mich die verbotene Liebe zu meiner Schwester Tag und Nacht quält? Ach, Merope, einzige Mutter, warum hast du mich verlassen?
    Wie damals war es nicht nur der Regen, der seine Wangen näßte. Die Ereignisse jenes Tages hatten sich unauslöschlich in sein Herz eingebrannt.
     
    Er wäre beinahe zu spät gekommen. Pasiphaë, die vollkommen erschöpft wirkte, hatte ihn vor dem Krankenzimmer empfangen.
    »Sie stirbt, Asterios«, weinte sie. »Wir haben alles versucht, um sie zu retten, aber sie will nicht mehr leben. Sie sagt, ihre Zeit sei vorbei.« Dabei sah sie ihn an, als suchte sie in seinen Zügen nach einer verborgenen Antwort. In Asterios erwachte wieder Angst. Ob Pasiphaë etwas von Ariadne und ihm wußte?
    Es kostete ihn Mühe, äußerlich ruhig zu bleiben. »Was ist geschehen?« fragte er schließlich.
    »Du weißt, wie eigen Merope ist«, schluchzte die Königin. »Wie dickköpfig! Selbst wir wußten nicht, daß sie so krank ist. Ihren Husten, gegen den alle Kräuter machtlos waren, hat sie lange Zeit heruntergespielt. Erst als sie Blut zu spucken begann, erfuhr ich von Mirtho, wie es wirklich um sie bestellt ist, wie ernst es ist. Phaidra und ich sind mit ihr noch am selben Tag nach Knossos aufgebrochen.«
    Drinnen war gepreßtes Stöhnen zu hören. »Komm jetzt«, sagte sie tonlos. »Laß sie nicht länger warten.«
    Neben Meropes Lager kniete Asterios nieder. Ihr hinfälliger Körper war von zahlreichen Kissen gestützt. In ihrem weißen Leinenhemd kam sie ihm zart wie ein junges Mädchen vor, und obwohl sie sich bemühte, es vor ihm zu verbergen, sah er, daß ihre Augen feucht waren.
    »Mein Sohn! Du bist doch gekommen.« Das Sprechen war anstrengend. Sie machte eine winzige Drehung zu Pasiphaë. »Läßt du mich Abschied von ihm nehmen – allein?«
    Pasiphaë ging hinaus.
    »Mutter, du darfst nicht sterben!« sagte er heftig und umschlang sie. Er erschrak, wie mager sie geworden war.
    »Doch, ich darf«, antwortete sie fast heiter. »Sie, die in allem wohnt, hat mich zu sich befohlen.« Merope ließ ein rasselndes Lachen hören. »Ist es nicht seltsam, Asterios, daß mir auf einmal richtig bange davor ist? Ich habe dich gelehrt, daß die Seele von Leben zu Leben wandert, von Raum zu Raum, daß Leben Ewigkeit bedeutet und nur ein verbrauchter Körper zurückbleibt, wenn die Zeit vorüber ist. Der Inhalt bleibt unverändert, auch wenn das Gefäß zerbricht.« Ihr Keuchen wurde lauter. »Und doch ist es schwieriger zu gehen, als ich immer geglaubt habe«, brachte sie mühsam hervor. »Der Leib hält fest und wehrt sich. Er klammert sich an Gefühle und längst vergangene körperliche Empfindungen. Der Weg ist unendlich weit, bis die Seele sich im Westen mit der Sonne vereinigen kann!«
    »Sprich nicht so viel, du mußt dich schonen!« Er tupfte ihre Stirn trocken.
    »Nein, dafür ist die Zeit zu knapp«, flüsterte sie. »Es gibt noch so vieles, was ich dir sagen will.«
    »Du hast mich alles gelehrt«, stieß er hervor. »Alles, was ich weiß, stammt von dir.«
    »Es ist die Liebe«, sagte sie so leise, daß er sich dicht über sie beugen mußte, um keines ihrer Worte zu überhören. »In ihr hat alles seinen Ursprung, zu ihr will alles zurück. Liebe ist das Gesetz, die Mutter der Weisheit und die Offenbarung

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