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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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besonders ans Herz.
    Später richtete der Alte auf einem Gurtbett das Lager für Merope. Asterios wies er eine Holzbank in einem kleinen Nebenraum zu, der ihm sonst als Vorrats- und Werkzeugkammer diente. Entlang der Wände reihten sich abgeschlagene Tröge und Stampfbüchsen, dazwischen Oliven- und Kornreiben aus Speckstein. Über der Schlafstelle baumelten ein paar Tontöpfe. Schleifsteine, Schüsseln, Becher und Kannen waren auf einem Wandbrett gestapelt. Auf dem Boden standen klobige Keramikamphoren, halbgefüllt mit Öl, dazwischen kniehohe Pithoi, in denen Oliven, Weizen und Gerste aufbewahrt wurden.
    Vor dem Einschlafen hatte Merope ihn endlich zu sich gerufen. Im Schein der Kerze war ihr Gesicht blaß und traurig gewesen. Sie hatte die Hand ausgestreckt, und ihm war es so vorgekommen, als wollte sie ihn wie früher an sich ziehen. Plötzlich aber war er sich nicht mehr sicher gewesen. Die alte Vertrautheit war seit den Tagen der Höhle verschwunden. Es war, als wäre mit einem Mal etwas Fremdes, Trennendes zwischen sie getreten, das sie beide schweigsam und einsam machte.
    Als Asterios noch diesem Unfaßbaren nachspürte, fing Merope an zu reden. »Geh zur Villa der Königin«, sagte sie. »Reih dich ein in die Schar der Hirten zur Großen Zählung und führe Königin Pasiphaë die besteuerten Tiere zu! Wenn du vor ihr stehst, dann übergib ihr diesen Ring.«
    »Und dann?«
    »Dann wirst du sie erkennen und sie dich.«
    Ihre Worte hatten erneut die Bilder und widersprüchlichen Empfindungen des Höhlendunkels in ihm heraufbeschworen. Wieder sah er sie: den Mann mit der ledernen Stiermaske und die schwarzgelockte Frau, beide nackt, lüstern, schweißnaß. Die Frau, die ihm das Leben geschenkt hatte. Die Königin, vor der er bald schon stehen würde.
    Bald, denn er hatte Meropes Befehle nicht gleich befolgt. Anstatt sich sogleich mit den Tieren auf den Weg nach der königlichen Villa in Elyros zu machen, war er mit seiner Herde hier in der Nähe der Bucht geblieben. Er hatte diesen Aufschub dringend gebraucht, um zu sich selbst zurückzufinden. Den wirren Träumen der ersten Nächte waren Tage voll innerer Spannung und unbestimmter Sehnsucht gefolgt. Tage des Grübelns, erfüllt von einer jähen, hitzigen Vorfreude, die ihn untätig und ruhelos machte.
    Vorgestern hatte er zum erstenmal das Mädchen am Strand gesehen. Im ersten Morgenlicht, noch traumbenommen, war er plötzlich aufgewacht. Nicht die Kühle des Taus hatte ihn geweckt, sondern das Geräusch schneller Schritte vom Wasser her. Braunes, wehendes Haar über einem hellen Gewand. Nackte Arme und Beine. Bevor er sich noch den Schlaf aus den Augen reiben konnte, war sie schon an ihm vorbei, war aufgesessen und auf ihrem Pferd zwischen den Tamarisken verschwunden.
    Am nächsten Tag, zur Zeit der langen Schatten, war sie zurückgekommen. Er war schon am Nachmittag mit seiner Herde ein Stück bachaufwärts gezogen, durch die eng eingeschnittene Schlucht hinauf auf die ersten Anhöhen. Zu Füßen der schroffen Felswände breitete sich ein buntgescheckter Blütenteppich aus. Beiderseits des Wasserlaufs standen Ringelblumen, Blausterne und Bärentrauben in kugeligen Büschen. Die Tiere aber hatten weiter nach oben gedrängt, den Plätzen zu, wo die Zistrosen wuchsen.
    Allen voran stürmte ein gescheckter Jungbock. Asterios hatte ihm nachgesetzt, damit er nicht die Blüten des Liebeskrautes Diptam fraß und anschließend nicht mehr zu halten sein würde. Als das Tier schließlich wieder zur Herde abgedreht hatte und er schweißgebadet stehengeblieben war, entdeckte er unten am Strand ihr weißes Gewand. Ungeduldig pfiff er seinen Hund herbei und drängte die Tiere zum Aufbruch. Doch er war zu langsam. Als er atemlos am Meer ankam, war nichts mehr von ihr zu sehen.
    In der folgenden Nacht war sie ihm als lichte, verschwommene Traumgestalt erschienen, ein Wesen, das sich sofort auflösen würde, wenn er nur die Hände nach ihm ausstreckte. Und dennoch war er beim Aufwachen zuversichtlich. Er wußte, er würde sie wiedersehen.
     
    Sie kam erst zurück, als sich der Nachmittag schon neigte. Asterios, der sich gerade im Schatten Brot und Ziegenmilch schmekken ließ, hörte das Wiehern ihres Pferdes. Lähmende Befangenheit überfiel ihn, und er war plötzlich sehr froh über die Sträucher, die ihn vor ihr verbargen. Sie ging so nah an ihm vorbei, daß sie sein grünes Versteck beinahe gestreift hätte. Durch die Zweige konnte er die blonden Härchen auf ihren Armen

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