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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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wieder nach dem Erkalten mit Steinmeißeln abschlagen. Bronzewerkzeuge, die man üblicherweise für Schmiedearbeiten verwendete, hatten sich dafür als zu weich und damit ungeeignet erwiesen. Am sinnvollsten wäre es natürlich gewesen, eisernes Werkzeug für diese schweißtreibende Tätigkeit einzusetzen. Genau da aber begannen die Schwierigkeiten.
    Jeder Versuch, das auf diese Weise gewonnene Material weiterzuverarbeiten, war bislang gescheitert. Selbst unter den Händen der geschicktesten Bronzeschmiede splitterten die Stücke schließlich doch. »Erz des Himmels«, flüsterte Daidalos. Es klang wie eine Beschwörung, aber es wollte dennoch nicht gelingen. Es war gleichgültig, ob er die Schmiede anflehte oder beschimpfte, nicht ein einziges Mal hatten die Schmelzversuche ein Eisenstück von vernünftiger Größe erbracht. Immer wieder schien das Ziel beinahe erreicht. Und immer wieder folgte bittere Enttäuschung. Manchmal hätte er gegen ihre Ergebenheit anschreien mögen, sie verprügeln oder mit den Köpfen gegeneinander schlagen wollen. Natürlich ließ er es sein. Es hätte ohnehin nichts genutzt.
    Die Kreter verrichteten die Arbeit, wie er es ihnen vorschrieb, aber sie machten keinen Handgriff zuviel. Eisen zu schmelzen, war sein Ziel, nicht ihres, das führten sie ihm Tag für Tag vor Augen. Haßerfüllt sah er zu, wenn sie ohne zu murren wieder und wieder das gleiche taten. Sie wußten nicht, wie stark der Druck war, der auf ihm lastete. Sie ahnten nichts von seinem unbarmherzigen Wettlauf gegen die Zeit.
    Minos hatte sich in Zakros angesagt und auf einer öffentlichen Vorführung bestanden, bei der nicht nur der gesamte Hofstaat, sondern auch die Mysten anwesend sein sollten. Niemand wußte besser als Daidalos, was diese Nachricht zu bedeuten hatte. Die Zeit seiner Experimente war zu Ende. Jetzt wollte der Kreter Ergebnisse.
    Seitdem war sein Appetit ganz vergangen, und er schlief kaum mehr als ein paar Stunden. Sein altes Magenleiden hatte sich wieder eingestellt. Wenn er morgens an den Gruben kauerte, mit einem Mundschutz gegen Dämpfe und übelriechende Schwaden versehen, fühlte er sich so elend, daß er am liebsten nie mehr aufgestanden wäre. Schritt der Schmelzvorgang aber weiter fort, kehrte meist auch sein Forschergeist zurück. Er harrte aus, bis die Eisenstücke in der Glut nachgeschmiedet wurden.
    Wieder nur poröse Splitter! Daidalos fiel in sich zusammen. Er hatte schon alles versucht. Die Windöfen stillgelegt, die am Berghang mit natürlichem Luftzug gearbeitet hatten, und statt der Zedernstämme einheimisches Holz in großen Mengen verfeuern lassen. Manche der kahlen Hügel um Zakros legten karstiges Zeugnis seiner Aktivitäten ab. Er mußte sich gegen den Protest der ortsansässigen Priesterinnen zur Wehr setzen. Sie beschuldigten ihn, sich gegen die Göttin zu vergehen, weil er Ihre Haine roden und Ihre Gipfelheiligtümer durch Holzfäller stören ließ. Er rechnete damit, daß sie die Anwesenheit Pasiphaës nutzen würden, um die Vorwürfe gegen seine Frevel zu wiederholen. Solange allerdings Minos an der Eisenverhüttung festhielt, war seine Position unangefochten.
    Was aber, wenn Pasiphaës Gemahl seine schützende Hand zurückzog? Was vor allem würde dann aus seinem heimlichen Leben werden? Was aus seiner Leidenschaft für Patane?
    An eine Entdeckung dieser Passion wagte Daidalos meist gar nicht zu denken. Die Nubierin war die gestrenge Herrin, nach der er sich lange Jahre vergeblich gesehnt hatte. Schon der Gedanke an ihre massigen Schenkel und die voluminösen Brüste, die unter dem dünnen Kleid bei jedem Schritt erzitterten, genügte, um sein Blut in Wallung zu bringen. Die einzigartige Behandlung, die sie ihm angedeihen ließ, konnte und wollte er nicht mehr missen. Wenn sie schwitzte und dampfte und ihre Körpersäfte zu strömen begannen, wenn sie die Augen verdrehte, daß kaum noch Weiß zu sehen war, gab er sich ganz in ihre Hand. Manchmal träumte er davon, unter ihr sein Leben auszuhauchen, begraben unter einem Berg festen Fleisches. Das war sein bestgehütetes Geheimnis. Niemand ahnte, wohin ein nicht unbeträchtlicher Teil seiner Einkünfte floß, niemand wußte von seinen regelmäßigen Besuchen bei ihr.
    Nachts jedoch, wenn sein Magen sich zusammenzog, als sei er mit Säure gefüllt, stieg das Angstgespenst einer Trennung von Patane immer wieder vor ihm auf. Dann konnte er nicht länger auf Schlaf lauern. Er stand auf, trank ein bißchen von dem Kräutersud, den

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