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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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vorrätig waren. Sie streckten sich auf den Ruhebänken aus und dösten.
    Knossos war der einzige unter den kretischen Palästen, der solche Annehmlichkeiten besaß. Der Anstoß dazu war von Aiakos gekommen. Während seiner Jahre in Syene hatte er das in Oberägypten übliche Dampfbad lieben gelernt. Nach seiner Rückkehr hatte er Minos Skizzen gezeigt und selbst den Einbau in Knossos überwacht. Seitdem benutzten es Minos und die Söhne häufig, während Pasiphaë und ihre Töchter Sitzbäder mit Duft- und Kräuterzusätzen aus Iassos’ unerschöpflichem Reservoir bevorzugten.
    Deukalion wurde inzwischen von dem blinden Badediener massiert. Der Nubier bearbeitete die verhärteten Muskelpartien entlang der Wirbelsäule und strich behutsam den Beckenbereich aus. Dann trommelten seine ebenholzschwarzen Hände auf den Schulterblättern.
    Ikaros war ganz versunken in den Anblick des dichten goldenen Flaums, der Deukalions Arme und Beine bedeckte. Er konnte seinen Blick nicht lösen von dem Männerkörper, der ihn noch heute bis in seine Träume verfolgte. Die plötzliche Nähe hatte seine mühsam unterdrückte Sehnsucht wieder wachwerden lassen; in seinem jäh aufflackernden Begehren fühlte er sich schwach und ausgeliefert. Bisweilen kam ihm Deukalion wie ein wildes, wunderschönes Tierwesen vor, allzeit bereit, grausam seine Krallen in ihn zu schlagen, wenn er nur die geringste Schwäche zeigte.
    Erst als der Nubier seine Massage beendet und das wärmende Wolltuch über ihn gelegt hatte, räusperte sich Deukalion und nahm ihr Gespräch wieder auf, das durch die Arbeit des Dieners unterbrochen worden war.
    »Und du bist dir wirklich ganz sicher?« wollte er wissen. Mit einer trägen, sinnlichen Bewegung drehte er sich um.
    »Für mich gibt es keinen Zweifel«, antwortete Ikaros und bemühte sich, sachlich zu bleiben. »Asterios besitzt die Gabe des Sehens. Obwohl er sehr vorsichtig war, als er es mir sagte. Wahrscheinlich hätte ich nicht einmal dir gegenüber ein Wort verloren, wenn du nicht die Stierfalle heute im Wald erwähnt hättest.«
    »Der Bastard der Königin besitzt also die heilige Gabe«, murmelte Deukalion leise vor sich hin. »Weiß eigentlich meine Mutter davon?«
    Erschrocken setzte Ikaros sich auf. Mit einem Mal war der andere ihm wieder fremd und fern. Der sehnsuchtsvolle Zauber des Augenblicks war verflogen. Er wünschte, er hätte nichts gesagt. Schon der Gedanke an Asterios genügte, daß er sich wie ein Verräter vorkam.
    »Hör zu, Deukalion«, beschwor er ihn. »Behalte die Sache vorerst für dich, zumindest bis Asterios das Labyrinth hinter sich hat. Er soll sich nicht noch mehr als Außenseiter fühlen.«
    Deukalion machte eine unbestimmte Geste. »Das kann nicht der richtige Weg sein«, sagte er bedächtig. »Die Hohepriesterin muß auf alle Fälle informiert werden. Schließlich ist sie es, die im Namen der Göttin zu entscheiden hat, ob er ein Scharlatan oder tatsächlich mit dem Gesicht gesegnet ist.«
    »Willst du ihm nicht noch ein bißchen Zeit lassen?« bat Ikaros. Seine Augen suchten beinahe flehend Deukalions Blick. Wenn sich nun auch noch Minos einmischen würde? Er war sich sicher, daß er einen Fehler gemacht hatte.
    »So rasch ist es dir gelungen, Ersatz zu finden?« Deukalion schien sich an seiner Betroffenheit zu weiden.
    Bevor Ikaros protestieren konnte, öffnete sich die Tür und Asterios kam herein, nackt und naßglänzend, vom kahlen Schädel bis zu den Füßen.
    »Wir haben gerade von dir gesprochen«, rief Deukalion munter.
    Ikaros biß sich auf die Lippen. Asterios spürte die seltsame Spannung zwischen den beiden und blieb zunächst unschlüssig stehen. Erst als Deukalion ihn ausdrücklich zum Bleiben aufforderte, ließ er sich auf der Bank nieder.
    »Bist du wieder stark genug, um heute abend beim Festmahl tüchtig zuzulangen?« grinste Deukalion zu ihm herüber.
    »Ich fühle mich wie neugeboren«, erwiderte Asterios nach einem raschen Blick auf Ikaros, den er noch niemals so verwirrt gesehen hatte. »Diese Baderäume sind fantastisch. Ganze Tage könnte ich hier verbringen!«
    Deukalions Lächeln bekam einen grausamen Zug. »Das Vergnügen läßt sich noch erheblich steigern.« Er setzte sich langsam auf. »Schau dir mal Ikaros’ Hände an! Ich kann dir versichern, daß er über ganz ungewöhnliche manuelle Fähigkeiten verfügt! Den Grundstock dafür hat er auf der Insel Strongyle erworben. Später hatte er Gelegenheit, sein Talent weiterzuentwickeln. Und das in

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