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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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der schönsten Kolonie, die Kreta besitzt«, fuhr Deukalion fort und sah Ikaros herausfordernd an. »In mehr als einer Hinsicht, nicht wahr, mein Freund?«
    Ikaros blieb die Antwort lange schuldig. Als er endlich seinen Kopf hob, waren seine grauen Augen dunkel vor Trauer. »Wir waren sehr glücklich dort«, sagte er leise. »Ich werde unsere gemeinsam Zeit niemals vergessen.« Deukalion verzog spöttisch den Mund, aber Ikaros ließ sich nicht beirren. »Auch wenn du glaubst, mich in Gegenwart anderer demütigen zu müssen, auch wenn du heute nichts mehr wissen willst von der Anziehung, die ich einmal für dich besaß, meine Liebe zu dir kannst du nicht zerstören.«
    Er erhob sich, deutete eine Verneigung an, zog das Tuch enger um seinen Leib und verließ den Raum, ohne sich nach ihnen umzusehen.
     
     
    Asterios sollte Pasiphaë zum abendlichen Ehrenmahl für die Jäger begleiten. Eine Dienerin hatte ihm ausgerichtet, er möge sich bei Einbruch der Dämmerung in ihren Gemächern einfinden.
    Als es dunkel wurde, klopfte er an die Tür des königlichen Megarons; eine junge Dienerin öffnete ihm. Pasiphaë saß auf der hölzernen Fensterbank auf der anderen Seite des Zimmers. Sie schien versunken in die Betrachtung eines kleinen Gegenstands, den sie vorsichtig in beiden Händen hielt.
    Ein wenig unsicher blieb er an der Türe stehen und ließ seine Augen umherwandern. Das Megaron erschien ihm als der wohnlichste Raum im ganzen Palast. Obwohl das Gemach nicht groß war, verliehen ihm Farben und Materialien Anmut und Heiterkeit. Alabaster bedeckte den Fußboden und die Wände bis in Türhöhe, wo ein Steinfries mit Laufspiralen in Meeresblau und kräftigem Rot abgesetzt war. An der Südwand führten drei hohe Fenster auf einen der zahlreichen Innenhöfe, die aufgrund der winterlichen Temperaturen geöltes Pergament verschloß. Nach Osten öffnete sich das Zimmer zum Lichthof, den ein Säulengeviert mit rosettengeschmückten Kapitellen schmückte, ein Motiv, das die Deckenbemalung nochmals aufnahm. Am schönsten und eindrucksvollsten aber war das Gemälde an der Nordwand, das einen Schwarm blauer Delphine zeigte.
    Der Palast der blauen Delphine, dachte Asterios und erinnerte sich an den geschmeidigen Tierleib, der ihn durch die Wellen getragen und mit dem großen, ewigen Kreislauf verbunden hatte. Ikaros hatte recht. Dieses Bild war es wert, Knossos seinen Namen zu geben.
    Pasiphaë mußte ihn mehrmals rufen, bis er endlich reagierte. »Sieh nur, welche Kostbarkeit!«
    Langsam kam er näher und erkannte, daß der Gegenstand in ihren Händen eine kleine, weißgoldene Plastik war: ein Stierspringer, mit nacktem Oberkörper, der Schurz und Taillenband trug, festgehalten in einer kühnen Flugbewegung.
    »Aus Elfenbein geschnitzt und mit Blattgold überzogen! Nur die Künstler Ägyptens können solche Meisterwerke schaffen!« Pasiphaë ließ ihre Finger über die feinen Linien gleiten.
    Aus der dunklen Fensternische kam verhaltenes Schnalzen, und Asterios bemerkte erst jetzt, daß noch eine weitere Person im Raum war. Iassos trat zu ihnen. Er hatte sich einen kurzen Bart stehen lassen, der ihn sehr veränderte.
    »Ausnahmsweise hat die schöne Königin einmal nicht recht«, sagte er schnarrend. »Diese Arbeit stammt ursprünglich von der Insel Strongyle, die man auch Kalliste, ›die Schöne‹ nennt. Ich habe sie unlängst im Haus eines reichen Kaufmanns in Zakros entdeckt. Es ist mir ein ganz besonderes Vergnügen, sie Pasiphaë zum Geschenk zu machen!« Er buckelte tief.
    »Die Königin dankt«, antwortete sie, »und wird sich gelegentlich mit einem Gefallen revanchieren – falls er nichts mit Kalliste zu tun hat. Mach kein so böses Gesicht, Iassos! Ich weiß, wie gut es dir dort gefällt, wo man sich offen rühmt, ein so viel freieres Leben zu führen, als wir es hier auf Kreta gewohnt sind – besonders, was die Liebe zwischen Männern betrifft. Ich kann mich noch lebhaft an die Zeiten erinnern, in denen Minos es kaum erwarten konnte, wieder nach Akrotiri zu kommen. Geht es dir etwa auch so?«
    Iassos vertiefte seine Verneigung, bis er beinahe vornüber gekippt wäre, und beschränkte sich darauf, Unverständliches zu murmeln. Ächzend kam er wieder nach oben. »Ich bin nur ein einfacher Kaufmann und beschämt über die mir erwiesene Gnade«, sagte er vorsichtig.
    Pasiphaë blieb eine Antwort schuldig. Sorgfältig ordnete sie die Volants ihres Kleides. »Brechen wir nun zu dem Fest auf, das Minos für die tüchtigen

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