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Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Titel: Palast der Schatten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Saal schwebte. Einige Mücken tanzten im Lichtstrahl und warfen große, dunkle Schatten auf die Leinwand.
    Theo sah Carla im Widerschein des weißen Vierecks sitzen.
    Carla hört das Klappern der Projektionszahnräder. Auf der Filmwand flackert ein Kinosaal auf. Er füllt sich mit Menschen, darunter viele Damen mit breiten, in die Höhe ragenden Hüten. Einige Zuschauer protestieren, jedoch die Damen weigern sich, ihre Hüte abzunehmen. Plötzlich erscheinen die Greifer eines Krans im Bild und heben die Damen samt ihren Hüten aus den Sitzen.
    Lautes Lachen, Fußgetrampel im Publikum, einige rufen:
    Â»Hüte runter! Hüte runter!«
    Buchstaben zittern auf der Leinwand:
    â€ºBitte nehmen Sie die Hüte ab, um den anderen Zuschauern nicht die Sicht zu nehmen.‹
    Die Stimme des Rezitators erschallt:
    Â»Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine der sonderbarsten Erscheinungen unserer zoologischen Gärten ist unstreitig die Giraffe. Mit ihrem langen Hals und Beinen und dem abschüssigen Körper sieht sie geradezu komisch aus, doch ganz anders wirkt das Tier in seiner natürlichen Umgebung in der Heimat. Hier, im inneren Afrika, wollen wir nun einer Giraffenjagd beiwohnen.«
    Eine Forschergruppe mit Trägern erscheint.
    Â»Eine Expedition ist auf der Wanderung durch den Urwald. Alles, was die Leute brauchen, wird von Trägern in Bündeln und Kisten auf dem Kopf mitgetragen. Jede dieser Trägerlasten wiegt ungefähr 50 Pfund …«
    Â»Wo sind denn nun die Giraffen?«, ruft ein Mann aus dem Hintergrund.
    Â»Ruhe!«, ertönt eine Frauenstimme.
    Beim Abladen des Gepäcks rasen die Bilder. Die Menschen zappeln über die Leinwand.
    Carla verfolgte die schwarz–weiße Bühne, auf der die Menschen lautlos umherliefen und stimmlos die Lippen öffneten. Immer tiefer zogen sie die Bilder. Sie trugen sie fort aus ihrem Dasein, als säße sie vor einem weit geöffneten Fenster, das sie in fremde Welten führte, in schwirrendes Leben, Leidenschaft, Wildheit und Exotik.
    Der nächste Film war bereits angelaufen. Beinah hätte Theo seinen Text verpasst.
    Ein Liebesdrama. Die Boulevards von Paris ziehen vorüber. Eine junge, ganz in Schwarz gekleidete Frau erscheint auf der Leinwand. Plötzlich lauschte Carla dem Klavierspiel. Sie verfolgte jede Nuance. Schwere, dumpfe Moll–Akkorde. Trauermarsch von Chopin. Eine dunkle Gestalt, vielleicht der Mörder, huscht vorbei. Düstere Klänge. Die Frau kämpft mit dem Mann. Berlioz, ›Fausts Verdammnis‹.
    Â»Und sehen Sie hier, meine Damen und Herren, wie die reizende Dame mit dem Schattenmann kämpft.«
    Die Frau zieht den Revolver. Ein Knall.
    Carla stieß einen Schrei aus. Die Zuschauer drehten sich zu ihr hin. Lautes Gelächter folgte.
    Theo schmunzelte.
    Carla krümmte der Schrecken, der sie erfasste, in ihren Sitz. Sie versuchte, sich so klein und unauffällig wie möglich zu machen. Ihre Wangen glühten rote Angst und Scham. Die Menschen blickten bereits wieder zur Leinwand. Helle, hastige Akkordsprünge ertönten, dann ein dröhnender Septim–Akkord, der unaufgelöst durch den Raum hallte.
    Der nächste Film flackerte auf. Ein Junge will an eine Zuckerdose im Küchenregal. Teller und Tassen fallen herunter. Der Junge flieht. Das Dienstmädchen verfolgt den Missetäter, gleitet aus und fällt in eine Pfütze.
    Das Publikum schüttelte sich vor Lachen. Carla fiel in das Lachen ein.
    â€ºDer Stierkampf‹, ›Das Fabrikmädchen‹. Rastloses Klaviergehämmer. Rachmaninow.
    Â»Meine Damen und Herren, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen: Nach Schluss des nun folgenden letzten kurzen Films wird das Theater sogleich erhellt.«
    â€ºDas Hotelzimmer‹. Ein Liebespaar betritt das Zimmer mit Himmelbett. Sehnsüchtige Umarmungen folgen. Mann und Frau legen sich auf das Bett nieder, küssen sich.
    Licht. Lauter Applaus, zotige Rufe. Die Stuhlreihen leerten sich. Auch Carla erhob sich. Plötzlich schoss ihr der Aushang vor die Augen. Ihr Herz pochte bis zum Halse. Wenn sie … Sollte sie? Warum nicht fragen? Das wäre … Aber nein, wie kam sie auf solche Gedanken? Warum denn nicht? Was hatte sie zu verlieren?
    Theos Herz klopfte. Die ganze Zeit überlegte er sich, wie er sie ansprechen könnte.
    Langsam bewegte Carla sich auf den Filmerzähler zu. Ihr gefiel der junge Mann mit

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