Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Titel: Palast der Schatten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
den strahlenden Augen und dem Zylinder auf dem Kopf. Er war gut aussehend auf eine interessante Art. Kein Pomadeschönling, sondern eher von herber Frische, mit einer feinen, natürlichen Note. Er hat die Ausstrahlung eines Menschen, der am richtigen Platz ist, das richtige Leben führt, dachte sie. Plötzlich stand sie vor ihm.
    Â»Entschuldigung, ich habe gelesen, Sie suchen einen Pianisten?«
    Theo errötete.
    Â»Kennen Sie einen, gnädiges Fräulein?«
    Sie stockte. Dann sprudelten die Worte aus ihrem Mund.
    Â»Ich hätte die Stelle gern.«
    Â»Sie?«
    Theos Herz trommelte gegen die Rippen. Er reichte ihr die Hand, hielt sie länger, als es üblich war.
    Â»Theo, Theo Blum«, stotterte er.
    Â»Carla«, sie verstummte für eine Sekunde, dachte an das Hotel. »Carla Meyer.«
    Theo spürte ihre Hand, die warm in der seinen lag.
    Â»Spielen Sie bitte vor, wenn alle Zuschauer draußen sind.«
    Er gab ihre Hand frei.
    Â»Max, lass den Kriminalfilm noch mal laufen.«

    Der Filmapparat surrte. Ihre Fingerspitzen lagen auf den Tasten. Die ersten Bilder erschienen. Sie spielte zart oder mit Nachdruck, so, wie es die Szenen verlangten. Von Szene zu Szene gewann sie an Sicherheit.
    Der Kampf entspann sich. Ihre Finger flogen über die Tasten, als spiele sie um ihr Leben. Sie improvisierte über die Grundmelodien. Sie kombinierte Walzer, Märsche, Opernarien mit Gassenhauern. Dann kam der Schuss. Carlas Hände krallten sich in die Tasten. Ein markerschütternder Klang ertönte, der Theo erschauern ließ.
    Â»Das ist großartig!«, rief Theo.
    Seine Augen funkelten.
    Â»Können Sie schon morgen beginnen?«
    Carla antwortete mit einem hastigen und zugleich erschöpften Ja.

Fantasia
    Die Straßen lagen leer und lautlos im fahlen Licht der Gaslaternen, deren Pfeiler auf dem Gassenpflaster schmale Streifen malten. Theo genoss die nächtliche Stille der Großstadt, die nur durch das Jaulen zweier Katzen im Mondlicht gebrochen wurde. Er saß in seinem Zimmer auf dem blau gepolsterten Lehnstuhl neben dem Fenster, das zur Straße hin lag, und lauschte dem nächtlichen Liebesgeschrei der Katzen. Carla, dachte er, ein schöner Name. Er sah ihre dunklen Knopfaugen, ihr kastanienbraunes, krauses Haar, den markanten, wie ein Bogen gewölbten Nasenrücken vor sich.
    Â»Willkommen im ›Palast der Schatten‹, Carla«, flüsterte er und fühlte etwas Wahrhaftiges, Endgültiges.
    Plötzlich fiel ihm die Postkarte ein. Er hatte sie als kleiner Junge auf der Straße gefunden. Er war die Bordsteinkante entlangspaziert, balancierte, einen Fuß vor den anderen gesetzt, die Arme gespreizt, auf der Steinschlange, verlor das Gleichgewicht, rutschte mit der Stiefelkante ab. In jenem Moment erblickte er auf dem Straßenpflaster die Karte. Er hob sie auf, betrachtete sie. Ein Liebespaar auf einer Gartenbank, von Blumenranken umkränzt, die Frau in einem weißen Kleid auf dem Schoß des Geliebten, der ihre Taille mit dem linken Arm umfasste. Er drehte die Karte um, strich mit dem Zeigefinger über Hindenburgs Briefmarkenkopf, danach über die Schrift. Die Buchstaben waren klein gezackt. Er konnte noch nicht lesen, drehte die Karte zurück. Plötzlich bewegte sich das Paar. Der Mann gab der Frau einen Kuss. Die Bank fiel um. Sie lagen auf dem Boden, lachten und rollten sich ins Gras. Die Frau bettete ihren Kopf in die Armbeuge des Mannes. Der Mann zog ein Kästchen aus seiner Jackentasche und öffnete es. Zwei Ringe kamen zum Vorschein. Er streifte der Frau den Ring über den Finger. Und sie ihm den seinen. Kuss und Schluss.
    Damals hatte er die Karte in seine Jackentasche gesteckt, weil er glaubte, sie bedeute etwas. Bis heute bewahrte er sie in einem Karton auf. Theo erhob sich, um die Schachtel unter dem Bett hervorzuziehen. Er öffnete den Deckel, suchte im Stapel der Briefe und Karten, bis er sie in den Händen hielt. Er setzte sich in den Lehnstuhl, betrachtete versonnen das Bild.
    Katzengeschrei. Theo hob den Kopf, spähte, den Hals in die Länge gezogen, aus dem kleinen Fenster. Zwei schwarze Schatten huschten durch das silbrige Mondlicht über die Straße. Wenn die Katzen sein Herz gefragt hätten, was er sich wünschte, dann hätte es ›Carla‹ geantwortet. Er seufzte, legte die Karte zurück in den Karton, setzte sich an den Schreibtisch, blätterte im Katalog, um die Films

Weitere Kostenlose Bücher