Palast der Schatten - historischer Kriminalroman
zu Theos Wohnung hinauf, ohne zu sprechen, denn Worte waren überflüssig. Das, was sie einander zu sagen hatten, floss in einem Strom von Blicken und Berührungen in ihre Herzen hinein. Theo fühlte sich ohnmächtig vor Erregung. Carla lächelte ihm zu mit ihren samtigen Augen. Ein Kuss. Er strömte durch ihn hindurch und brannte sich in ihn hinein. Carla spürte seine Lippen, seine Hände, die über ihren Körper reisten. Sie wollte mit diesem Mann zusammenflieÃen. Ihr Verlangen war so stark, dass es schmerzte. Theo zersprang das Herz. Noch vor Kurzem war er der Ãberzeugung, er würde seine Freiheit gegen nichts in der Welt eintauschen. Plötzlich erschien ihm diese Freiheit traurig und einsam. Er liebte sie, wie er nie eine Frau geliebt hatte. Er wollte keine andere Frau mehr als nur sie lieben und betören und von ihr geliebt und betört werden.
»Bleib bei mir, Carla«, flüsterte er.
Eine kitzlige Sache
Carla blickte sich in der Wohnung um. Die Gardinen waren löchrig und von einem Grauschleier umfangen, die Vorhänge verschlissen. Auch das Sofa hatte bessere Tage gesehen, davor ein ausgetretener Läufer. Der Holztisch mit Kerben übersät. Kahle Fensterbänke. An der Wand hingen eingerissene Filmplakate, mit Stecknadeln befestigt. Auf dem Schreibtisch häuften sich Papiere, Briefumschläge, Filmbüchsen. In der Mitte stand die Torpedo-Schreibmaschine, deren schwarzes Metall von einer Staubschicht überzogen war.
Sie lächelte in sich hinein, lief zu Guste hinüber.
»Hast du eine Nähmaschine?«
»Ja, ich habe eine.«
»Kann ich bei dir nähen?«
»Ja, sicher.«
»Und auch die Stoffe bei dir lagern und noch so einiges?«
»Aber ja. Was hast du vor?«
»Wartâs ab.«
Drei Morgen hintereinander kaufte Carla Garn und Stoffe und andere Kleinigkeiten. Wann immer sie Zeit erübrigen konnte, nähte sie bei Guste.
Theo vermisste Carla.
»Wann gehen wir mal wieder spazieren oder ins Café? Ständig sitzt du bei Guste.«
»Ich brauche nur noch einen freien Tag, Theo. Dann ist alles fertig.«
»Was ist fertig?«
»Du wirst schon sehen.« Sie strahlte Theo an. »Kann Paul Mittwoch für mich spielen?«
»Ich denke schon. Aber was zum Teufel hast du vor?«
Carla lachte, stupste ihm auf die Nase.
»Nichts Genaues weià man nicht.«
Mittwoch. Sie war früh aufgestanden.
»Nun mach schon, Theo, du hast bestimmt noch einiges im Kino zu tun.«
Sie schob ihn zur Tür.
»Ja, ja, ich geh ja schon.«
Die Tür klappte. Carla wartete einen Moment. Dann lief sie zu Guste hinüber.
»Hier ist alles.«
Die Frauen lachten.
Es war später Abend. Ungeduldig horchte Carla auf Theos Schritte auf der Treppe. Sie flirrte vor Aufregung. Jetzt. Die Schritte kamen immer näher. Der Schlüssel klackte. Die Tür quietschte.
»Hallo, Knöpfchen.«
»Hallo.«
Er hängte die Jacke an den Haken.
»Krieg ich heute keinen Kuss?«
»Komm erst mal rein.«
Er öffnete die Küchentür. Sein Kiefer klappte nach unten.
»Was ⦠was ist denn das? Das ist ja â¦Â«
Carla kam ihm entgegen.
»Na, was sagst du?«
»Ich ⦠bin sprachlos.«
Sein Blick schweifte über die bunten Blumenvorhänge und Spitzengardinen, über die Alpenveilchen auf der Fensterbank, den Sofaüberwurf mit den daÂrauf drapierten Troddelkissen, über die Tischdecke auf dem Küchentisch. Statt der Filmplakate hingen vier gerahmte Landschaftsfotografien an der Wand: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Auch der Schreibtisch war nicht wiederzuerkennen.
»Wie ⦠wie schön!«
Er umarmte sie. Sie war eben eine Frau, sagte er sich. Frauen lebten anders.
»Wo sind denn aber meine Filmplakate?«
»Ich habe sie zusammengerollt. Sie stehen dort im Korb.«
»Aha. Und mein Schreibtisch, der ist ja blitzblank.«
Carla strahlte.
»Schau, jetzt ist alles geordnet. Posteingang, Postausgang. Briefmarken findest du in diesem Kästchen. Und Briefpapier in der obersten Schublade. Das ist doch praktisch. Und hier unten steht jetzt ein Karton für die Films, die zurückgegeben werden müssen.«
»Prima, wirklich.«
»Du freust dich nicht!«
»Doch, doch, aber ich bin völlig überrumpelt. Du hast ja einen kleinen Palast aus der Wohnung gemacht.«
Hand in Hand schritten sie
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