Palast der sinnlichen Traeume
willst du das so sehr? Ich hätte nie gedacht, dass du …“
„Dass ich mich für meinen Sohn interessiere?“, beendete Khaled den Satz für sie. „Es wundert mich immer noch, dass du, bei der schlechten Meinung, die du von mir hast, überhaupt so lange mit mir zusammengeblieben bist. Aber Tatsache ist, dass ich meine Verantwortung ernst nehme.“
„Wenn du ein Teil seines Lebens sein willst, dann muss er mehr sein als eine Verantwortung.“
„Glaubst du, ich bin aus reinem Pflichtgefühl hier? Wenn das so wäre, hätte ich dir einen Scheck ausgestellt. Sam ist mein Sohn. Ich möchte ihm ein guter Vater sein, so wie es in normalen Familien üblich ist.“
„Wie in deiner?“, fauchte Lucy und biss sich rasch auf die Lippe, als Khaleds Miene sich noch weiter verfinsterte.
„Nein, nicht wie in meiner“, entgegnete er. „Aber aufgrund meiner Erfahrung will ich umso mehr, dass Sam in einer richtigen Familie aufwächst. Ich dachte, das ist es, was du auch willst.“
„Na schön. Ich rufe in der Kita an und sage Bescheid, dass du ihn abholst.“
„Gut.“ Er hielt inne und gab Lucy genug Zeit, sich innerlich vor dem zu wappnen, was jetzt kam. „Ich werde eine Woche in England bleiben. Danach möchte ich, dass Sam mich nach Biryal begleitet.“
Lucy zuckte zusammen. „Eine Woche? Das ist zu wenig!“
„Es wird reichen müssen.“
„Sam weiß doch noch gar nicht, dass du sein Vater bist.“
„Wir sagen es ihm, wenn der richtige Zeitpunkt da ist. Bis dahin wird er sich bestimmt über aufregende Ferien freuen.“ Khaled lächelte. „Mit Spinnen.“
Daran brauchte er sie nun wirklich nicht zu erinnern. „Ich werde mitkommen.“
Khaled ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Lag da nicht ein seltsamer, höchst zufriedener Ausdruck in seinen Augen? „Was ist mit deiner Arbeit?“
Lucy biss die Zähne zusammen. „Ich werde wohl Urlaub nehmen müssen.“
„In Ordnung. Aber wir fliegen in einer Woche.“ Er stand auf. Eine Sekunde schien es, als würde sein rechtes Bein sein Gewicht nicht tragen können.
Sie sprang auf und streckte die Hand nach seinem Ellenbogen aus. Aber Khaled wich sofort zurück.
„Khaled …“
„Es geht mir gut.“ Seine Stimme klang angespannt, sein Gesicht war vor Schmerz verzerrt. „Es geht mir gut“, betonte er noch einmal, dann ging er steif zur Tür. „Wir sehen uns morgen, Lucy.“
Ich war fasziniert von dir. Du warst Englands Rugbystar. Ich dachte, ich würde dich lieben.
Lucys Worte hallten unbarmherzig durch Khaleds Kopf und Herz. Sie hatte ihn nie wirklich geliebt.
Erschöpft lehnte er den Kopf gegen den weichen Ledersitz, als sein Fahrer die Limousine durch die engen Straßen des Londoner Vororts steuerte. Sein Knie schmerzte. Viel schlimmer jedoch war das Gefühl der Trostlosigkeit, das sich in ihm ausbreitete.
Er wollte diese alles verschlingende Leere nie wieder empfinden. Sie erinnerte ihn zu sehr an die schwärzeste Zeit seines Lebens: allein im Krankenhausbett liegend, jeden Besuch ablehnend.
Khaled schloss die Augen und wehrte die anderen Bilder ab, die unablässig vor seinem geistigen Auge aufflackerten. Lucy in seinem Bett, Lucy in seinen Armen. Lucy als seine Ehefrau, mit Sam, sie könnten eine richtige Familie sein …
Eine Familie, wie er sie nie gehabt hatte.
Aber Lucy wollte ihn nicht. Sie wollte Khaled, den Krüppel nicht, sie wollte Khaled, den Rugbystar.
Dieser Mann war er nicht mehr. Jetzt war er schwächer und härter zugleich. Schwach durch seine Verletzung, den vielen Operationen. Das ständige Misstrauen seines Vaters hingegen hatte ihn härter gemacht … vier Jahre hatte er kämpfen müssen, um einen kleinen Platz in dem Königreich zu erhalten, das eines Tages rechtmäßig ihm gehören würde.
Aber, rief er sich ins Gedächtnis, hier ging es um Sam. Die Qual, Lucy zu sehen, in ihrer Nähe zu leben, sie zu begehren und sie nicht zu bekommen, war ein Opfer, das er für Sam erbrachte. Und sein Sohn war jedes Opfer wert.
Plötzlich klingelte sein Mobiltelefon. Er schaute aufs Display. Die private Nummer des Palastes in Biryal wurde angezeigt. Sein Vater. Diesem Gespräch war er so lange wie möglich ausgewichen. Nun musste er sich dem Unvermeidlichen fügen. Khaled drückte auf eine Taste, die Verbindung kam zustande.
Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Es ist wirklich erstaunlich, dachte Lucy, wie schnell Khaled sich in mein und Sams Leben einfügt. Ohne nachzudenken deckte sie einen dritten Teller, während Sam nach
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