Palast der Stuerme
sich vor Diensteifer, um ihr eine weitere Kreation zu präsentieren, ohne die sie – laut Ansicht der Verkäuferinnen – auf gar keinen Fall auskommen konnte. Claire bevorzugte klassisch einfache Schnitte, und sie war überrascht, dass Raoul diese Kleider ebenfalls vorzuziehen schien. Als sie jedoch einwandte, dass sie nicht einmal die Hälfte der Sachen, die er ausgesucht hatte, je tragen könne, tat er ihren Protest knapp ab mit der Bemerkung, dass sie als Paar zu vielen gesellschaftlichen Anlässen eingeladen werden würden.
„Als Finanzminister des Landes empfange ich oft ausländische Würdenträger. Und als meine Frau wirst du bei diesen Gelegenheiten ebenfalls mein Land repräsentieren.“
Es beruhigte Claire nicht wirklich, vor allem als zu der Garderobe auch noch Schmuck hinzukam, der ein Vermögen kosten musste. Eine Kollektion von Diamant- und Smaragdschmuck wurde zusammengestellt, die für jeden Anlass ausreichen würde. Das Glitzern der Juwelen verstärkte die Farbe ihrer Augen, die sie ungläubig aufriss, als sie die Steine ehrfürchtig betrachtete.
Lange bevor der Nachmittag vorüber war, war Claire bereits erschöpft, und nur der Stolz hielt sie davon zurück, Raoul zu bitten, den Einkauf am nächsten Tag zu beenden. Ihre Füße schmerzten, und der Kopf schwirrte ihr von den vielen neuen Eindrücken. Als Raoul sie mit einer Hand an ihrem Ellbogen in eine weitere exquisite Boutique führte, war sie zunächst zu benommen, um sich wirklich umzusehen. Erst die Erkenntnis, dass hier Dessous verkauft wurden, riss sie aus ihrer Lethargie.
Feinste BHs und Slips aus Seide und Spitze wurden vor Raoul ausgebreitet, verführerische Dessous aus Satin schimmerten in Pastelltönen und verlockenden dunklen Farben. Die Verkäuferin, eine große schlanke Mittdreißigerin, achtete kaum auf Claires Meinung, sondern konzentrierte sich ganz auf Raoul. Und recht hat sie, dachte Claire bitter. Denn schließlich war er es, der die Rechnung bezahlte. Er traf seine Auswahl mit einem kühlen Gleichmut, der Bände sprach über seine Erfahrung mit dem weiblichen Geschlecht.
„Diese hier.“ Raoul deutete auf eine Satinkollektion in Aquamarinblau und Elfenbein. „Die Farben passen zu der hellen Haut meiner Frau.“
„Das Material ist vielleicht nicht das beste für ein heißes Klima“, sagte die Verkäuferin mit einem kurzen Blick auf Claire. „Feine Baumwolle wäre da …“
„Baumwolle fühlt sich aber nicht so an wie das hier.“ Raoul ließ den Stoff durch seine Finger gleiten und registrierte gleichzeitig die brennende Röte, die sich auf Claires Wangen stahl. Denn für einen kurzen Moment wurde sie gequält von der Vorstellung, wie diese schlanken dunklen Finger über ihre Haut strichen, mit der gleichen Bewunderung wie für die Seide. Claire verbannte das Bild sofort, dennoch bebte sie am ganzen Körper. Wie würde sie sich jetzt wohl fühlen, wäre Raoul tatsächlich ihr Liebhaber, der ihr diese Dessous kaufte, weil er die Wärme ihrer Haut unter dem Satin genießen wollte?
„Raoul, es ist wirklich nicht nötig, so etwas zu …“, setzte sie stockend an, allein schon um die tückischen Gedanken zu verdrängen, doch sie kam nicht weiter. Und als sie den Laden verließen, war sie sich sicher, nie mehr in ihrem Leben auch nur ein einziges Kleidungsstück kaufen zu müssen. Eigentlich sollte sie Raoul dafür verdammen, dass er diese intimen Dinge für sie ausgewählt hatte, stattdessen fühlte sie eine innere Aufregung, die sich in ihrem Magen ausbreitete.
Was war nur los mit ihr? Raoul verachtete sie, das durfte sie nie vergessen. Er spielte nur seine Rolle.
Als sie ins Hotel zurückkamen, war Claire so müde, dass sie nur stumm nickte, als Raoul vorschlug, in der Suite zu Abend zu essen. Das köstlich zubereitete Mahl schmeckte für sie wie Sägespäne, als sie an die vor ihr liegenden einsamen Monate dachte, an das Schweigen, das zwischen ihnen herrschen würde, an die Zeit, wenn er geschäftlich unterwegs war und sie allein, ohne jeden Menschen, zurückließ. Doch was hatte sie erwartet? Sie hatte hier eine Anstellung übernommen, noch dazu eine extrem gut bezahlte. Es war albern, so etwas wie Bedauern zu verspüren, weil Raoul nicht an ihrer Gesellschaft interessiert war.
Obwohl Claire müde und erschöpft war, schien es Stunden zu dauern, bevor sie endlich in einen unruhigen Schlaf fiel. Und dann träumte sie nur wirre Dinge, sodass sie fast erleichtert war, als sie am nächsten Morgen aufwachte und
Weitere Kostenlose Bücher