Palast der Stuerme
der Zimmerservice ihr Tee und Biskuits sowie die englischen und französischen Tageszeitungen brachte.
Die angebliche Hochzeit fand in allen Zeitungen Erwähnung, sowohl in der englischen Times als auch in dem französischen Äquivalent, und in der Regenbogenpresse war sogar von Saud die Rede. Claire seufzte still. Jetzt war es also zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen. Für die nächsten Monate war sie für alle Welt Raouls Ehefrau und Sauds Mutter.
Saud rührte sich in seinem Bettchen, und Claire ging, um den Jungen hochzunehmen. Sein Gesichtchen war erhitzt, er zahnte noch immer, doch sobald er sie sah, strahlte er sie mit einem breiten Lächeln an. Claire setzte sich mit ihm auf den Rand ihres Bettes und strich ihm sanft über die roten Wangen. Sie würde einen Beißring für ihn besorgen müssen. Es erstaunte sie immer wieder, dass es einem so reichen und wichtigen Kind an den grundlegenden Dingen mangelte. Aber wahrscheinlich wäre das anders, lebte seine Mutter noch.
Claire war so in ihre Liebkosungen versunken, dass sie nicht hörte, wie die Tür zu ihrem Zimmer geöffnet wurde. Sie bemerkte Raoul erst, als er schon mitten im Raum stand. Er war angezogen und hellwach, und so kam sie sich in ihrem Nachthemd und mit den zerzausten Haaren extrem verletzlich vor.
„Hast du schon die Zeitungen gesehen?“ Auf seine Frage hin nickte Claire, ohne von Saud aufzusehen. „Stimmt etwas nicht mit ihm?“, erkundigte er sich.
Saud strampelte auf Claires Schoß, eine Hand in ihr Nachthemd geklammert. Dadurch spannte der Stoff direkt über ihrer Brust und ließ die sanfte Rundung deutlich hervortreten. Raouls Blick lag nur kurz auf ihrem Körper, dennoch verstärkte es Claires Gefühl ihrer Fast-Nacktheit.
„Er zahnt“, sagte sie heiser und hielt das Gesicht weiter gesenkt. „Ich denke, ich sollte heute besser bei ihm bleiben.“
„Wir beide bleiben bei ihm“, überraschte Raoul sie mit seiner Antwort. „Oder besser, wir nehmen ihn mit. Du musst schließlich noch alles für sein Kinderzimmer besorgen, bevor wir Paris verlassen, und uns bleiben nur noch zwei Tage.“
Er beugte sich vor und strich Saud über die heiße Wange. Dabei berührten seine Finger unabsichtlich Claires Brust. Die Reaktion ihres Körpers kam prompt und überwältigend, es war, als hätte sie einen elektrischen Schlag erhalten. Es kostete sie all ihre Willenskraft, ihren Atem ruhig und gleichmäßig zu halten und so zu tun, als sei nichts passiert.
„Ich werde ihn fertig machen. Wenn nur wenig Zeit bleibt, dann sollten wir sie nicht verschwenden.“
Sie staunte über sich selbst, wie ruhig sie klang, wenn doch gerade ihr Körper in solcher Aufruhr war. Kein Mann hatte je eine solche Reaktion in ihr hervorgerufen. Wenn Raoul jetzt versuchen würde, ihr das Nachthemd auszuziehen, sie würde sich wahrscheinlich nicht einmal wehren. Und wenn er sie dort berühren würde, wo vorhin sein Blick gelegen hatte …
Scham schlug über ihr zusammen. Himmel, was dachte sie da nur! Sie war froh, als Raoul sich abwandte und ihre roten Wangen nicht sehen konnte. Ihre Reaktion konnte nur auf die Zärtlichkeit zurückzuführen sein, die sie in seinen Augen gesehen hatte, als er sich über Saud beugte. Genau, das musste es sein! Raouls Zuneigung für den Jungen hatte sie überrumpelt.
Erleichtert, eine plausible Erklärung für ihre Reaktion gefunden zu haben, wartete Claire, bis Raoul das Zimmer verlassen hatte. Erst dann stand sie vom Bett auf. Der Blick, den sie auf ihre Erscheinung in dem großen Spiegel erhaschte, ließ sie allerdings erneut erröten. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie durchsichtig das Nachthemd war, das sie trug!
Aber warum machte sie sich deshalb überhaupt Gedanken? Raoul würde ihretwegen keine Erregung verspüren. Er hatte seine Meinung über sie doch laut kundgetan. Und bei ihm herrschte sicherlich kein Mangel an weiblicher Aufmerksamkeit.
Eine seltsam deprimierende Vorstellung. Claire wollte nicht darüber nachdenken, warum sie so empfand. Du wirst richtig geübt darin, unangenehme Fragen zu verdrängen, schalt sie sich still, während sie Saud badete und anzog. Dann lenkte sie ihre Gedanken bewusst zurück auf die Pläne für den heutigen Tag.
4. KAPITEL
Anstatt Raoul über seine Heimat zu befragen, in der sie die nächsten zwölf Monate verbringen würde, hatte Claire sich in einem Buchladen Literatur über Land und Leute besorgt. Sobald Saud eingeschlafen war, setzte sie sich in ihrem Zimmer in einen Sessel
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