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Palast der Stürme

Palast der Stürme

Titel: Palast der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyssa Deane
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Hätte er es erfahren, hätte er sich nicht beherrschen können, und wenn auch nur um ihretwillen.
    Sobald er es erführe – sobald alle es erführen –, würde es keine Macht und kein Gesetz geben, die sie von Vergeltungstaten abhielten.
    Sie erschauderte am offenen Fenster und spürte eine Angst, die tiefer reichte als alles, was sie je zuvor empfunden hatte.
    Hinter ihr drehte Collier sich auf der dünnen Matratze um und tastete nach ihr. In Windeseile sprang er aus dem Bett. Roxane lauschte den leisen Lauten, die er von sich gab, während er in seine Hose schlüpfte, und trotz all ihrer Schwierigkeiten huschte ein besitzergreifendes Lächeln über ihre Lippen. In dem düsteren Licht vor der Morgendämmerung beobachtete sie, wie er sich mit den Fingern durch das Haar fuhr und dann zu ihr herüberkam. Er presste sich gegen ihren Rücken und umarmte sie, wobei das Laken ein wenig nach unten rutschte. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und genoss die Wärme seiner Haut. Für sie war er ein Fels in der Brandung, wo alle Anker sich gelöst hatten. Er küsste sie auf die Schläfe und blies die feinen Haare weg, die ihn an Mund und Nase kitzelten.
    »Collier?«
    »Ja, mein Liebling?«
    »Ich habe einen Mann getötet. In der Stadt. Ich habe ihn erschossen.«
    Schweigend strich er ihr das Haar aus der Stirn, raffte es zusammen und schob es nach oben. Er hielt den dichten Haarschopf auf ihrem Scheitel fest und legte sein Kinn darauf. Sie spürte, wie sein Atem tief und gleichmäßig über ihren Rücken strich.
    »Aber den Mann, der dein Pferd gestohlen hatte … Diesen Mann habe ich laufen lassen, obwohl ich dachte, dass er dich umgebracht hätte. Das verstehe ich nicht.«
    »Ganz ruhig«, murmelte Collier.
    »Ich … ich halte es für wichtig, nicht kaltblütig zu handeln und auf Vergeltung aus zu sein, selbst wenn man weiß … wenn man weiß, dass …« Ihre Stimme verklang. Sie konnte ihm nicht erklären, was sie damit meinte. Rasch atmete sie ein und dann langsam wieder aus. Draußen schwang sich eine Schar Kormorane in den düsteren grauen Himmel, um von Osten nach Westen zu ziehen. Die Sonne begleitete sie noch nicht auf ihrem Flug.
    »Ich weiß über das Massaker in dem Innenhof Bescheid, Roxane«, erklärte er ihr nach einer Weile. »Ich habe gestern davon gehört, als ich versuchte, zum Telegrafenamt durchzukommen. Es wird einen Vergeltungsschlag geben, wenn kühle Köpfe es nicht zu verhindern wissen. Aber darüber können weder du noch ich entscheiden, Roxane. Dieser Wahnsinn ist jedem Mann ins Blut übergegangen. Das trifft für Ahmed genauso zu wie für mich. Diese Anspannung belastet uns alle täglich.«
    »Ich war eine von den Personen im Hof«, murmelte Roxane. »Ahmed hat mir das Leben gerettet.«
    »Ich weiß«, erwiderte Collier.
    »Du weißt es?«
    »Du sprichst im Schlaf, mein Liebling.« Er bemühte sich, Fassung zu bewahren, aber er spannte unwillkürlich seine Muskeln an. Sie spürte, wie sie sich über seiner Brust und an seinen Armen zusammenzogen. Schweigend beobachtete sie einige Tauben, die sich wie Schatten von einer Palastmauer in den Himmel schwangen, zuerst weiß, dann violett und dann wieder weiß, als sie in einem engen Kreis in die Luft stiegen und sich dann wieder sinken ließen, um ihren Flug von Neuem zu beginnen.
    »Es ist gefährlich, länger hierzubleiben, Roxane«, fuhr er fort. Sein Atem strich über die feinen Härchen an ihrem Nacken, die seinen Fingern entglitten waren. »Wir können jeden Moment entdeckt werden und hätten dann keine Chance zur Flucht. Ahmeds Leben steht auf dem Spiel. Vielleicht fühlt er sich irgendwann dazu gezwungen, uns aufzugeben.«
    Roxane starrte wieder auf die graue Stadt hinaus und dachte an Ahmeds Gesichtsausdruck, der sie überrascht hatte, als sie zu sich gekommen war. »Glaubst du, dass er das tun würde?«, fragte sie.
    Collier zuckte die Schultern.
    »Ich glaube nicht«, antwortete er. »Aber ich möchte auch nicht herausfinden, dass ich mich geirrt habe. Ich habe beschlossen, dass wir den Palast verlassen werden, sobald ich gewisse Vorkehrungen getroffen habe.«
    »Wohin sollen wir gehen?«, flüsterte Roxane. »Du hast gesagt, dass das britische Camp nicht mehr existiert.«
    »Wir werden Richtung Süden nach Kalkutta gehen. Wie ich höre, haben die Briten dort noch alles unter Kontrolle. Du und Sera könnt von dort aus auf ein Schiff nach England gehen …«
    »Ich werde nicht nach England gehen.«
    Er seufzte und drückte ihr einen

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