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Palast der Stürme

Palast der Stürme

Titel: Palast der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyssa Deane
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Voraussetzung für Freundschaft darstellt.
    Collier ging weiter auf den schmalen Weg zu, den er sogar in der Dunkelheit in- und auswendig kannte, und blieb dann noch einmal stehen. Alle Jalousien waren hochgezogen, und die Fensterflügel, die vom Boden bis zur Decke reichten, waren hell erleuchtet. Lichtstrahlen fielen auf die Veranda und in den Garten und hoben die Silhouetten der schweren, geschlossenen Hibiskusblüten hervor. Er hörte Stimmen, etwa ein Dutzend, und Gelächter. In einem der Fenster erschien eine Gestalt, zögerte und trat dann aus dem Haus. Collier erkannte sie sofort. Er blieb unbewegt stehen. Ihm war bewusst, dass er den Vorteil hatte, sie beobachten zu können, während sie nichts von seiner Gegenwart ahnte.
    Er sah, wie sie sich umdrehte und einen Blick zurückwarf. Das Licht fiel auf ihre Wange und ihre nackten Schultern, wanderte dann durch ihr dunkles Haar und warf einen sanften Schein auf ihren Nacken. Sie trug ein Kleid aus tiefblauem indischem Musselin, das ihre Brust und ihre Taille vorteilhaft umschloss. Der Glockenrock fiel über eine Krinoline, die nicht ganz so ausladend war, wie die Mode es im Augenblick vorschrieb. Er glaubte nicht, dass ihr ein Fehler unterlaufen war; sicher zeigte sie damit ganz bewusst ihre eigene Vorliebe. Bei ihrer letzten Begegnung hatte er nicht das Vergnügen gehabt, ihren graziösen Gang bewundern zu können. Ihre Bewegungen waren geschmeidig, ungekünstelt, ungehemmt und ein wenig katzenhaft. Am Ende der Veranda blieb sie stehen und schlang die Finger einer Hand um den Pfosten. Er hörte sie eine leise Beschwerde über die Hitze murmeln. Sie hob das Glas in ihrer Hand und presste die tropfende kühle Oberfläche anstatt an ihre Lippen an ihre Stirn, an ihre Wangen und schließlich an ihre Kehle, wobei sie den Kopf in den Nacken legte. Es war eine unbewusste Darstellung ihrer Sinnlichkeit, und Collier hielt unwillkürlich den Atem an.
    Er atmete langsam aus und ging auf sie zu.
    »Guten Abend, Miss Sheffield.«
    Sie zuckte leicht zusammen. Ein Spritzer von dem gekühlten Wein stieg in einer glitzernden Spirale in die Luft. Sie sprang zurück und streckte den Arm in einem schiefen Winkel aus, sodass das Weinglas zwischen ihren Fingern baumelte. Collier sprang auf die erhöhte Veranda und nahm ihr rasch das Glas ab.
    »Ich wollte Sie nicht erschrecken«, versicherte er ihr.
    »Captain Harrison! Ich … wir sind davon ausgegangen, dass Sie nicht mehr kommen.«
    Die junge Frau atmete schwer und riss die grünen Augen weit auf. Ihre Lippen waren leicht geöffnet. Er erinnerte sich, dass er sie bereits geküsst hatte, und dachte dabei frustriert an Jahars Warnung.
    »Komme ich denn so spät?«, erkundigte er sich. »Normalerweise bin ich sehr pünktlich. Verspätung ist ein Luxus, den ich mir in der Regel nicht gönne. Heute hat mich jedoch etwas aufgehalten. Was ist los?«
    »Ich habe den Wein verschüttet«, erklärte sie. »Auf mein Kleid. Ich habe noch versucht, es zu verhindern, aber das ist mir wohl nicht gelungen.«
    Er folgte ihrem Blick nach unten und entdeckte einen Fleck, der sich wie Blut ausbreitete und den feinen Stoff ihres Kleides oberhalb ihres Knies verunzierte. Wortlos reichte er ihr ein sauberes Taschentuch aus der Brusttasche seiner Uniform und sah ihr zu, wie sie mit dem viereckigen Stoffstück den Fleck bearbeitete. Sie lehnte sich mit der Hüfte gegen den Pfosten und bückte sich, ganz in ihre Arbeit vertieft. Ihr gepuderter Busen wurde dabei gegen den runden Ausschnitt ihres Mieders gedrückt. Collier runzelte die Stirn und wandte sich diskret ab.
    »Hilft es?«, fragte er schließlich mit dem Gesicht zur Wand.
    »Nein.«
    Er drehte sich wieder um, als sie sich aufrichtete. Zufrieden stellte er fest, dass ihr dunkler Schopf genau bis zu seiner Schulter reichte. Sie war groß für eine Frau, aber nicht grobknochig. Hinter ihren Schultern verströmten die geschlossenen Blüten im Garten immer noch einen berauschenden Duft.
    »Es tut mir leid, Miss Sheffield«, sagte er.
    »Leid? Was tut Ihnen leid, Captain?«
    Er bemerkte, dass ihre Wimpern zwar nicht übermäßig lang, aber sehr dicht gewachsen und tiefschwarz waren.
    »Dass ich Ihr Kleid ruiniert habe.«
    »Sie haben es nicht ruiniert.« – »Ich habe Sie erschreckt«, beharrte er. »Es ist meine Schuld.«
    Er konnte trotz der starken Gerüche im Garten ihren Duft wahrnehmen. Sie roch nach Lavendel. Nach England, nach Heimat, wie er fand.
    »Sie mögen an vielen Dingen Schuld tragen,

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