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Palast der Stürme

Palast der Stürme

Titel: Palast der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyssa Deane
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Aussehen keinen Einfluss auf ihr Schicksal nehmen sollte. Und nun stand sie in Indien vor einem großen Standspiegel und blickte auf eine junge Frau, deren Aussehen mehr als ungewöhnlich war. Einen Augenblick lang war sie überwältigt. Sie fühlte sich versucht, einen Blick über ihre Schulter zu werfen, um zu sehen, ob sie nicht vielleicht irgendwo hinter der Person stand, die im Spiegel zu sehen war.
    »Oh, Roxane«, hauchte Unity.
    Das Kleid aus glänzendem cremefarbenem Musselin passte perfekt. Vom Busen bis zur Taille lag es eng an und fiel dann in einer fließenden Bewegung auf den Boden. Die Ärmel bestanden lediglich aus einem Bogen zusammengerollten Stoffs, an dem ein schmales Band aus mit Perlen verzierter Spitze angebracht war. Das Mieder war in Schnitt und Design darauf abgestimmt und schien über ihrem Busen nur von Luft getragen zu werden. Die Handschuhe von der gleichen Farbe reichten ihr bis über die Ellbogen. Ihren Hals schmückte die Perlenkette ihrer Mutter, die sie zweimal um den Nacken gelegt hatte. Das längere Ende reichte über ihre Brust. Ihr dichtes dunkelbraunes Haar war aus dem Nacken gekämmt, zu einer lockeren Hochfrisur gesteckt und mit Silberfäden geschmückt. Die Frisur betonte ihren langen schmalen Nacken. An ihren Ohren baumelten Ohrringe, die angenehm ihren Hals kitzelten.
    Von der Türschwelle kam ein leiser, bewundernder Pfiff, und alle drehten sich gleichzeitig um. Colonel Stanton lächelte Roxane mit offener Bewunderung an.
    »Sie sehen wunderschön aus«, sagte er.
    »Vielen Dank.« Roxane errötete vor Freude.
    »Ihr alle«, fügte der Colonel rasch hinzu, als er den Raum betrat, und reichte seiner Frau und seiner Tochter die Hände. »Ihr alle werdet die hübschesten Geschöpfe auf diesem Ball sein.« Er lächelte seiner Frau innig zu und wandte sich dann an Unity.
    »Und dich, meine kleine Elfe, hätte ich beinahe nicht erkannt. Ich werde dich heute Abend nicht aus den Augen lassen können.«
    Unity zog den Kopf ein und kicherte. Ihre blassblauen Augen glänzten. Das Material für ihr Kleid war genau auf die Farbe ihrer Augen abgestimmt, und obwohl es, ihrem zarten Alter angemessen, viel sittsamer geschnitten war, stand es doch Roxanes Kleid in nichts nach. Ihr flammend rotes Haar war mit kleinen blauen und weißen Blumen, an denen noch grüne Blätter hingen, zusammengehalten. Roxane fand, dass sie aussah wie eine Dryade, eine Baumnymphe, die sich unter die Sterblichen gemischt hatte.
    »Meine Damen, die Kutsche wartet«, verkündete der Colonel. Immer noch lächelnd stemmte er die Arme in die Seite, damit seine Frau und seine Tochter sich bei ihm einhängen konnten.
    Roxane folgte der Prozession und musste unwillkürlich lächeln.
    * * *
    Da Roxane in London aufwendige Feste gemieden hatte, war sie nicht auf das verschwenderische Ausmaß des Balls im Regierungsgebäude vorbereitet.
    Draußen reihten sich die Kutschen in eine lange Schlange ein, bis sie zu der breiten Treppe gelangten, wo eine Armee von livrierten Bediensteten den Damen aus den Wagen half. Nach ihnen stiegen die Herren, Soldaten und Zivilpersonen gleichermaßen, aus den Kutschen.
    Roxane stellte erfreut fest, dass es sich nicht nur um Europäer handelte, und musterte jedes Gesicht, von honigbraun bis fast schwarz, mit großem Interesse. Einige der Frauen trugen bunt gefärbte einheimische Kleidung, während andere in Roben erschienen, die denen der europäischen Gäste aufs Haar glichen.
    »Das sind Christinnen«, erklärte Augusta überheblich und folgte Roxanes Blick zu einer Frau, die ein Kleid trug, das beinahe so aussah wie Augustas. Die beiden hatten die gleiche Größe und hätten sich sogar ähnlich sehen können, hätte die andere Frau nicht schwarz glänzendes, perfekt frisiertes Haar gehabt, braune Haut und blauschwarze Augen, die an Schlehdorn erinnerten.
    Als Roxane aus der Kutsche stieg, lächelte sie dem Mann zu, der ihr dabei half. »Vielen Dank«, sagte sie. Er antwortete mit einer tiefen Verbeugung aus der Hüfte.
    Während sie die Treppe hinaufstiegen, beugte sich Augusta zu ihr hinüber. »Sie dürfen den Dienern nicht immer danken, Roxane.«
    »Warum nicht?«, fragte Roxane verdutzt. »Ich weiß ihre Dienste zu schätzen.«
    »Es gehört sich nicht«, erwiderte Augusta flüsternd.
    »Warum nicht?« Roxane blieb auf den Stufen stehen. Unity stieß gegen sie und eilte an ihr vorüber. »Zu Hause habe ich mich immer bei unserem Personal bedankt. Ich glaube nicht, dass das unziemlich

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