Palast der Stürme
würde dann aus ihnen allen werden? Aus Unity und ihren Eltern, aus der auf irritierende Weise so sinnlichen Rose Peabody? Roxane ließ den Blick durch den Saal schweifen. Selbst hier stellten die Europäer nur ein Drittel aller Anwesenden dar, wenn man die einheimische Infanterie, die vor dem Gebäude Wache stand, berücksichtigte, sowie auch die Dienerschaft, die sich geschickt zwischen den Gästen bewegte.
Roxanes Mund war plötzlich wie ausgedörrt, und der Bissen, den sie gerade hatte hinunterschlucken wollen, steckte in ihrer Kehle fest.
Sie hustete, fuhr mit der Hand durch die Luft und drehte sich rasch um, um den Diener zu suchen, der vor Kurzem ein Tablett mit gefüllten Champagnergläsern an ihr vorbeigetragen hatte.
Jemand hinter ihr bemerkte ihre Notlage und drückte ihr ein Glas mit dem goldfarbenen sprudelnden Getränk in die Hand. Sie trank viel zu schnell und hob den Blick, um ihrem Wohltäter zu danken.
»Collier!« Sie verschluckte sich lachend und lächelte ihn fröhlich an.
»Miss Sheffield.« Sein Lächeln wirkte aufreizend ruhig, aber Roxane konnte sich daran kaum sattsehen. »Dann hast du mir also verziehen?«, fragte er.
»Hast du mir verziehen?«
»Natürlich«, erwiderte er immer noch lächelnd. Sie trat kaum merklich einen kleinen Schritt vor, um den Duft seiner Seife einatmen zu können und um die Reflexion des Kerzenlichts in seinen schiefergrauen Augen zu sehen. Er streckte seine Hand in dem weißen Handschuh langsam aus und hob ihr Kinn an.
»Ist dein erster Tanz noch frei?«
»Oh ja.«
Genau in diesem Augenblick schlug die Kapelle einen lauten Akkord an, um die Gäste darauf aufmerksam zu machen, dass nun getanzt wurde. Collier nahm Roxane an der Hand und führte sie auf die Tanzfläche. Roxane lächelte über Unitys entzückten Gesichtsausdruck, als sie an ihr vorüberging.
»Ist das nicht romantisch?«, flüsterte das junge Mädchen in einem Anfall von Sentimentalität.
Roxane schwebte auf die Tanzfläche, ihre Hand fest umschlossen von Colliers warmen Fingern, und konnte ihr nicht widersprechen.
Der erste Tanz war traditionell ein Walzer, und Collier stellte sich vor Roxane, die rechte Hand auf ihrer Taille. Mit der linken umfasste er zart ihre rechte und hob sie hoch. Er spürte ihren Atem und wie sich ihr Brustkorb an seiner Handfläche hob und senkte. Ihr Duft nach Lavendel und noch etwas anderem, einem leichten Parfum in ihrem Haar, durchdrang seine Sinne, sodass er die exotischere Geruchsaura der Blumen und der verschiedenen Damen, die sich mit ihren Partnern um sie herum aufstellten, kaum mehr wahrnahm.
Sie lächelte und wandte den Kopf nach links, um mit einer jungen Frau ein paar nette Bemerkungen über den Abend auszutauschen. Er bemerkte das silberne Band in ihrem Haar und fragte sich, wer so klug gewesen war, es dort zu befestigen. In ihren dunklen Locken fing es den Schein der Kerzen und sicher auch das Funkeln jedes Sterns ein. Ihr Teint war cremefarben, die hell gepuderten Schultern und ihr Dekolleté schimmerten zart, und ihre Wangen glänzten rosig. Als sie sich ihm wieder zuwandte, glühten ihre grünen Augen.
»Das Kleid steht dir sehr gut.«
»Danke.«
Die Anfangstakte des Walzers ertönten, süß und wohlklingend.
»Bist du bereit?«
»Ja.«
Miss Roxane Sheffield war eine ausgezeichnete Tänzerin. Sie bewegte sich graziös und genau im Takt zu den Walzerklängen; er wunderte sich, wie das sein konnte, da sie ihm erzählt hatte, sie hätte nicht oft getanzt, aber er fragte nicht nach. Er wusste nur, dass sich noch nie eine Frau in seinen Armen so angefühlt hatte, und er genoss den warmen, herrlichen Kontakt zu ihrem Körper.
»Du bist spät gekommen«, meinte sie lächelnd.
»Ich weiß, Liebes.«
Sie fragte nicht, warum, aber ihr Lächeln verstärkte sich, und sie drehte den Kopf, um einen Blick über ihre Schulter zu werfen. Zwei dunkle Locken fielen über die seidige Haut ihrer Kehle. Er stellte sich vor, wie er sie sanft zur Seite strich und dann seine Lippen auf die Stelle presste, wo sie gelegen hatten.
»Collier?«
»Ja?« Er zwang sich, ihr in die Augen zu sehen, und das Funkeln darin verschlug ihm den Atem.
»Es ist ein herrlicher Abend, nicht wahr?«
»Du hast noch nicht viele solche erlebt, oder?«
Sie lachte, mädchenhaft und fröhlich. »Es gibt viele Menschen, die diesen Luxus, diese Magie nie kennenlernen dürfen. Ich zähle mich zu den Glücklichen, weil ich zumindest an ein solches Ereignis werde zurückdenken
Weitere Kostenlose Bücher