Palast der Stürme
presste seine Lippen auf ihr Haar.
»Ganz ruhig, mein Liebling, ganz ruhig …«
Roxane warf ihren Kopf unter seinem Kinn hin und her, bis er sie langsam zu sich umdrehte, sie an den Ellbogen festhielt und sich vorbeugte.
»Ich liebe dich, Roxane.«
Sie starrte auf die polierten Knöpfe an seiner Uniform und schüttelte den Kopf.
»Collier … Wie kannst du dir sicher sein, dass ich es bin, die du willst?«
Bevor er antwortete, strich er ihr die lockigen Haarsträhnen von den Schultern. Er ließ sich Zeit dafür und fuhr ihr langsam mit seinen warmen Fingern über die Haut. Dann lächelte er schief.
»Ich weiß nicht, was ich sagen kann, um dir deine Angst und deine Zweifel zu nehmen. Ich weiß nur, dass ich mir ganz sicher bin, dass ich dich will, Roxane. Noch nie hat jemand von solcher Größe und Anmut Zugang zu meinem Herzen gefunden.«
»Hübsche Worte«, meinte sie und schwieg dann. Sie legte eine Hand auf seine Brust und zupfte an einem der schimmernden Knöpfe.
»Liebst du mich, Roxane?«
Unter ihrer Handfläche begann sein Herz zu klopfen, als wäre er gerannt. Wie aus weiter Entfernung hörte sie die Musik und das Stimmengewirr, aber näher an ihrem Ohr und ihrer Seele waren Colliers geduldige, rhythmische Atemzüge, die nicht mit seinem heftig pochenden Puls mithalten konnten. Ihr eigenes Herz zog sich in einem quälenden Missklang aus Furcht, Hoffnung und Freude zusammen. Sie zwinkerte, um die Tränen zurückzudrängen, die ihr in die Augen stiegen.
»Ich werde nicht weinen«, flüsterte sie. »Nicht wegen dir oder wegen eines anderen Mannes.«
»Das verlange ich auch nicht von dir.«
Sie machte eine abwehrende Handbewegung, aber er griff rasch nach ihren Fingern und hielt sie fest.
»Liebst du mich, Roxane?«
Der Boden unter ihren Füßen schien sich zu drehen, und sie musste all ihre Kraft aufbringen, um sich auf den Beinen zu halten. Und dann stolperte sie nach vorn in seine Arme, die sie auffingen und sie festhielten. Sie presste ihre Stirn an seine Uniformjacke und atmete seinen Duft nach Seife und Männlichkeit, nach Staub und der Sonne Indiens ein.
»Du weißt, dass ich dich liebe«, sagte sie so leise, dass er es beinahe nicht gehört hätte, wäre es auf der Welt nicht mit einem Mal ganz still geworden.
8
Roxane streute getrocknete Blütenblätter zwischen ihre Kleider und packte sie sorgfältig in ihren Schrankkoffer. Im ganzen Haus herrschte eifrige Geschäftigkeit; ein Teil des Personals und die Stantons, in diesem Jahr auch der Colonel, trafen Vorbereitungen, um die Hitze Kalkuttas gegen die Kühle eines Bergdorfes einzutauschen. Die glutheißen Tage im Juni waren für Augusta unerträglich. Unity ertrug diese Temperaturen besser. Danach würden die Monsune kommen. Wie Unity Roxane erzählt hatte, waren die Regenfälle zuerst eine Erleichterung, doch dann schon bald schlimmer als die Hitze. Roxane konnte sich das kaum vorstellen, aber sie gab sich geschlagen und packte ihre Sachen.
Einige Tage zuvor hatte sie ihrem Vater telegrafiert und ihm das ungefähre Datum ihrer Ankunft mitgeteilt. Die Antwort, die sie an diesem Morgen mit der Post erhalten hatte, drückte freudige Erwartung aus, lieferte ihr aber keine weiteren Informationen. Sie wusste nichts über das Haus, in dem sie wohnen würde – nichts über die Routine des Haushalts, seine Bewohner oder die Gesellschaft, die sie dort haben würde. Sie hatte ihrem Vater gegenüber Collier Harrison nicht erwähnt, obwohl sie sich nicht sicher war, warum nicht. Wenn sich die Gelegenheit ergab, würde er sie besuchen, das hatte er ihr versprochen, und dann würde es noch genug Zeit für Erklärungen geben. In der Zwischenzeit würde sie ihre Beziehung zu dem Captain für sich behalten, und damit auch alle Gefühle, die sie mit sich brachte. Roxane hatte kein schlechtes Gewissen, dieses Geheimnis zu bewahren. Sie kannte ihren Vater nicht gut genug, um ihm anzuvertrauen, was ihr Herz bewegte – ein Herz, das aufgrund seiner Entscheidung nie in seiner Reichweite geschlagen hatte.
»Captain Harrison wird Sie vermissen, Roxane«, meinte Unity, als hätte sie ihre Gedanken gelesen, und bückte sich, um einen Stapel Bücher in einer Kiste zu verstauen. Unity las mit Begeisterung, und Roxane ermutigte sie dazu, auch wenn sie mit der Auswahl der Bücher nicht immer einverstanden war.
»Ich werde ihn auch vermissen«, erwiderte Roxane und legte Seidenpapier auf das beigefarbene Kleid, das sie vor einer Woche bei dem Ball getragen
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