Palazzo der Liebe
drückte ihm die Wagenschlüssel zusammen mit ein paar gefalteten Banknoten in die Hand.
„Sie kümmern sich wie immer um den Wagen, Luigi?“
„Selbstverständlich, Mr. Haviland.“
Eine Hand leicht um ihre Taille gelegt, dirigierte Stephen Sophia quer über die Piazzale Roma, mitten durch den Touristenstrom und die ankommenden und abfahrenden Busse. Auf einer Seite des Platzes verkauften Händler in offenen Ständen Pizza, Panini, kühle Getränke, dünne Scheiben Wassermelone und saftige Kokosnüsse.
Stephen führte Sophia einige Stufen zu einem breiten fon damenta, einem gemauerten Kai, und dort präsentierte sich ihr ganz überraschend das Venedig ihrer Träume. Atemlos schaute sie über den Canale Grande, der viel breiter als in ihrer Vorstellung war. Auf der glitzernden blauen Oberfläche schaukelten Wasserfahrzeuge jeder erdenklichen Form und Farbe.
Angefangen von den eleganten, prachtvoll verzierten Gondeln über schnittige Motorboote bis hin zu einem langen vaporetto, das ihr viel zu überladen vorkam. Am Ende des fondamenta schlossen sich die breiten Stege für die Wassertaxis an. Dazwischen gab es einen Stand neben dem anderen, wo man Essen, Getränke und Eis kaufen konnte, und natürlich die unentbehrlichen Souvenirs von Vasen, Schmuck und winzigen Tierchen aus Muranoglas bis hin zu beleuchteten Gondeln und allerlei anderem Schnickschnack.
In der Luft lag ein Hauch von Dolce Vita und pulsierender Lebensfreude, was Sophia ausgesprochen ansteckend fand. Als sie ihr vor Aufregung glühendes Gesicht dem Mann an ihrer Seite zuwandte, bemerkte sie, dass er sie die ganze Zeit über beobachtete.
Lächelnd nickte er ihr zu, als verstehe er, was sie erfüllte, und ohne den Zauber mit Worten zu zerstören, legte er eine Hand unter ihren Ellbogen und geleitete sie weitere, in Stein geschlagene Stufen hinunter zu einem Anleger, wo ein kleines Motorboot vertäut lag.
Mit einer geschickten Bewegung stellte Stephen Sophias Koffer ins Boot, setzte einen Fuß auf die Reling, um es zu stabilisieren, und half seinem Gast an Bord. Sobald Sophia sich gesetzt hatte, sprang er leichtfüßig hinterher, stellte sich hinter das Steuerrad und ließ den Motor an. Und während sie den Canale Grande überquerten, wies er mit der Hand auf ein großes, relativ modern wirkendes Gebäude auf der anderen Uferseite.
„Das ist der Bahnhof, Stazione Santa Lucia. Viele Touristen kommen mit dem Zug nach Venedig.“
Kurz darauf glitten sie unter einer Steinbrücke hindurch – der einzigen während der ganzen Fahrt.
„Ich dachte immer, in Venedig würde es von Brücken nur so wimmeln“, wunderte sich Sophia.
„Das tut es auch. Es gibt Hunderte“, bestätigte Stephen. „Aber nur drei, inklusive der Ponte di Rialto, führen über den Canale Grande .“ Während er das Motorboot geschickt über den viel befahrenen Kanal lenkte, machte er Sophia auf das eine oder andere berühmte Bauwerk aufmerksam, doch die meiste Zeit über schwieg er, um ihr die Zeit zu geben, die neuen Eindrücke tief in sich aufzunehmen.
Hingerissen schaute Sophia zu den wundervollen alten Bauten, die das Ufer säumten. All die reich verzierten Marmorpaläste und prachtvollen Kirchen, die sie nun zum ersten Mal zu Gesicht bekam, hatten ihre Eltern schon viele Jahre vor ihr gesehen. Bei diesem Gedanken überfiel sie ein seltsames Gefühl zwischen Trauer und Trost, und für einen Augenblick drohte sie die Sehnsucht nach ihren verstorbenen Lieben zu überwältigen.
Doch dann überwogen die Freude am Neuen und das Empfinden, trotz aller Exotik hierher zu gehören, in die Heimat ihrer Mutter. Sophia kniff die Augen blinzelnd gegen die gleißende Sonne zusammen, sog begierig die unbekannten Gerüche ein und seufzte zufrieden.
„Wie weit ist es noch zum Tre Pozzi?“, fragte sie, als sie eine Reihe rot-weiß gestreifte Pfähle passierten.
„Nicht weit, aber eigentlich habe ich gehofft, du würdest deine Meinung wegen der Hotelübernachtung noch ändern.“
„Dazu ist es zu spät“, sagte Sophia schnell. „Ich habe bereits ein Zimmer gebucht.“
„Eine Buchung lässt sich jederzeit stornieren. Venedig ist zu jeder Zeit von Touristen überlaufen, sodass es kein Problem wäre, das Zimmer loszuwerden. Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn du dich entschlössest, mein Gast im Palazzo della Fortuna zu sein“, sagte er mit einem Lächeln, bei dem sie weiche Knie bekam.
Sekundenlang erwog sie tatsächlich, seinem Drängen nachzugeben, doch dann
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