Palazzo der Liebe
erinnerte sie sich wieder an die Marchesa. „Danke, aber ich bleibe lieber bei meinem ursprünglichen Plan.“
„Dein Wille ist mir Befehl“, lenkte er charmant ein.
Noch während sie sprachen, war Stephen in einen kleinen Seitenkanal eingebogen und drosselte jetzt den Motor, sodass ihr Boot langsam auf den Landesteg vor einem altertümlichen ockerfarbenen Gebäude zusteuerte.
„ Ecco qua … das Tre Pozzi.“
Fasziniert schaute Sophia zu der hoch aufragenden, etwas ramponiert wirkenden Stuckfassade mit den schäbigen Blendläden empor, deren schmiedeeiserne Balkone ebenso wie das ganze Gebäude ihrer Ansicht nach dringend einen Anstrich benötigten. Selbst das offenbar neue, geschnitzte Holzschild mit der Inschrift Tre Pozzi konnte den allgemeinen Eindruck der Verwahrlosung nicht mildern.
Stephen machte das Boot fest, sprang an Land und half Sophia beim Aussteigen. „Wenn du gebucht hast, wird sich gleich jemand um dein Gepäck kümmern“, erklärte er und lachte amüsiert, als er Sophias bedenkliche Miene bemerkte.
„Ja, es ist genau das, was Reiseführer als bezaubernd pitto resk beschreiben, aber keine Angst, innen sieht es ganz anders aus.“
Und tatsächlich erwies sich die Hotellobby als eine echte Überraschung für Sophia. Der kühle Marmorboden, riesige Pflanzenkübel, barocke Spiegel und üppige Kristalllüster verliehen dem Ganzen das Flair einer eleganten, aber untergegangenen Epoche.
Als sie an der Rezeption ihren Namen nannte, öffnete der untersetzte Angestellte ein Register und ließ seinen Finger über die aktuelle Seite gleiten, während er bedenklich den Kopf wiegte.
„Ich befürchte, wir haben keine Reservierung für eine Signorina Sophia Jordan.“
„Das kann nicht sein. Ich habe das Zimmer telefonisch von London aus bestellt. Schauen Sie doch bitte noch einmal nach.“
„Handelt es sich um ein Einzelzimmer?“
„Da ein Einzelzimmer nur für zwei Tage frei war, habe ich zugestimmt, anschließend in ein Doppelzimmer mit Blick über den campo umzuziehen.“
„Und die Reservierung lautete auf den Namen Jordan?“
„Ja.“
Der Mann zuckte bedauernd mit den Schultern, ohne noch einmal in seinem Buch nachzuschauen. „Tut mir leid, Signorina, aber es gibt keine Buchung auf diesen Namen.“
„Würden Sie das bitte noch einmal überprüfen“, forderte Stephen in einem höflichen, aber autoritären Ton, der den Mann sofort nach dem Register greifen ließ. Nach wenigen Sekunden hob er hilflos die Hände.
„Sosehr ich es bedaure, aber ich kann keine Reservierung finden. Wann haben Sie denn bei uns angerufen, Signorina Jordan?“
„Vorgestern morgen.“
„Dann handelt es sich ganz sicher um ein Missverständnis, denn unser Hotel ist seit Tagen bis auf das letzte Zimmer ausgebucht. Ich bedaure.“
Sophia spürte, dass es keinen Sinn machte, noch länger zu diskutieren, und fühlte sich schuldig an dem ganzen Debakel, ohne zu wissen warum.
„Könnten Sie mir vielleicht ein anderes Hotel empfehlen?“, fragte sie den Hotelangestellten
. Er schüttelte den Kopf. „Ich befürchte, Venedig ist momentan ziemlich ausgebucht, zumindest im Zentrum.“
Sie bedankte sich mit dünner Stimme und wandte sich ab. Dabei sah sie sich selbst in einem der hohen Barockspiegel und seufzte. Momentan wünschte sie sich nichts mehr als einen Ort, wo sie ihr Gepäck lassen und sich ein wenig frisch machen konnte.
Irritiert beobachtetet sie, wie Stephens Spiegelbild dem Mann an der Rezeption zunickte und einen Blick mit ihm tauschte, der ihr seltsam konspirativ erschien, als plötzlich eine lärmende Touristengruppe das Hotel betrat und sie ablenkte. Nach den krebsroten Gesichtern und umgehängten Kameras zu urteilen, hatten sie gerade ihre erste Sightseeingtour in Venedig absolviert.
Sekunden später geleitete Stephen sie nach draußen. Kurz darauf saßen sie wieder im Motorboot.
„Da du meine Einladung in den Palazzo leider nicht akzeptierst, kann ich dir nur noch zwei weitere Vorschläge machen“, erklärte er. „Entweder wenden wir uns an das offizielle Touristenbüro und fragen dort nach Hotels mit freien Zimmer oder ich bringe dich hinüber ins Castello d’Orsini.“
„Castello d’Orsini …“, wiederholte Sophia verblüfft.
„Ginas Heim. Ich bin sicher, sie wird dich gern als Gast aufnehmen.“
Wohl kaum! Allein bei dem Gedanken lief es Sophia kalt den Rücken herunter.
„Dann lebt die Marchesa nicht im Palazzo?“ Als sie bemerkte, wie sehr man ihren Worten die
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