Palazzo der Liebe
die Stadt dringt und alles feucht und klamm wird, ist es sogar ausgesprochen ungemütlich. Komm, jetzt zeige ich dir dein neues Reich.“
Wenig später musterte Sophia neugierig ihr zukünftiges Domizil: eine Suite mit einem gemütlichen hellen Wohnzimmer, einem Schlafraum, den ein riesiges Himmelbett beherrschte, und einem angrenzenden Bad. In einer Ecke des Schlafzimmers stand eine reich verzierte schwarze Lacktruhe, in der anderen etwas, das wie ein orientalischer Schrein aussah.
Ihr Koffer lag auf einem niedrigen Schemel, gleich neben dem Bett.
„Möchtest du dich vielleicht etwas frisch machen?“
„Ja, sehr gern.“
„Reichen zwanzig Minuten?“
„Auf jeden Fall“, behauptete Sophia, die es gar nicht erwarten konnte, mehr von ihrer Traumstadt zu sehen.
Sobald die Tür sich hinter Stephen geschlossen hatte, öffnete sie ihren Koffer, suchte frische Unterwäsche, ein knielanges Seidenkleid in schimmerndem Olivgrün und ein Paar leichte Sandalen heraus und legte alles bereit. Dann schnappte sie sich ihren Kulturbeutel und ging ins Bad, um zu duschen.
Während das kühle Wasser über ihre erhitzte Haut rann, durchflutete sie ein wahres Hochgefühl. Was für ein Glück ich doch habe, dachte sie. Anstatt in dem unpersönlichen Hotel zu hocken, wohne ich in einer eigenen Suite, in einem fantastischen Palazzo, Tür an Tür mit dem Mann meiner Träume.
Nach dem Abtrocknen und Anziehen kämmte sie ihr langes dichtes Haar, das sie nach kurzer Überlegung in weichen Locken offen auf die Schultern herabfallen ließ, putzte sich rasch die Zähne und kehrte zu ihrem Koffer zurück.
Behutsam zog sie die geliebte Schmuckschatulle hervor, holte die Perlenkette mit den passenden Ohrringen heraus – ein Geschenk von ihrem Vater zum einundzwanzigsten Geburtstag – und legte sie an. Dann klappte sie den Kofferdeckel zu und fuhr nervös zusammen, als es an der Tür klopfte.
„Herein“, rief sie mit pochendem Herzen, das bei Stephens Anblick noch heftiger schlug.
Frisch rasiert, in einem fantastisch sitzenden schwarzen Dinnerjackett mit passender Krawatte, wirkte er gefährlich attraktiv und männlich.
„Fertig?“
Sie nickte und errötete unter seinem anerkennenden Blick.
„Du siehst wunderschön aus. Ich mag es, wenn du dein Haar offen trägst.“
Er wickelte sich eine weiche glänzende Locke um den Finger und hielt sie fest. Als Sophia verlegen die Augen niederschlug, lachte er leise.
„Soll ich ein Wassertaxi rufen, oder möchtest du Venedig lieber zu Fuß erkunden?“
„Ich würde viel lieber laufen.“
Seine zufriedene Miene verriet ihr, dass sie genau die richtige Entscheidung getroffen hatte. „Gut, dann lass uns gehen.“
Es war ein wundervoller Abend, und der Himmel so klar, dass man den Mond im Osten aufgehen sah, während gleichzeitig die Sonne in einer Symphonie aus leuchtendem Rotorange im Westen versank.
Nachdem sie den verwunschen wirkenden Garten des Palazzo, den eine hohe Steinmauer umgab, hinter sich gelassen hatten, legte Stephen wie selbstverständlich einen Arm um Sophias Schultern, und so schlenderten sie Seite an Seite durchs abendliche Venedig. Wer sie nicht kannte, hätte sie für eines der unzähligen Liebespaare halten können, die durch die romantische Lagunenstadt flanierten.
Bei ihrem Spaziergang machte Stephen seine Begleiterin immer wieder auf berühmte antike Bauwerke aufmerksam, über deren Entstehung und architektonische Beschaffenheit er verblüffend detailliert zu erzählen verstand, und Sophia stieß immer wieder kleine Entzückensschreie aus.
„Ich kann kaum glauben, dass ich tatsächlich an diesem magischen Ort bin!“
„Du scheinst dich sehr für alte Geschichte zu interessieren“, stellte Stephen amüsiert fest.
„Das stimmt, und wenn ich nicht, durch das Vorbild meines Vaters inspiriert, Kunst studiert hätte, wäre ich Archäologin geworden.“
„Genau wie ich“, erwiderte Stephen spontan, „… wenn ich nicht das Familienimperium hätte übernehmen müssen. So habe ich Wirtschaft, Statistik und Psychologie studiert …“ Seine Stimme verebbte, als hätte er bereits mehr gesagt, als er wollte. „Aber was soll’s“, fuhr er in leichtem Tonfall fort. „Da ich sehr privilegiert aufwachsen durfte, will ich mich nicht beschweren. Und hier sind wir auf der Piazza di San Marco, dem wohl berühmtesten Platz in Venedig. Wie wäre es mit einem kleinen Aperitif im Flori an? Von dort ist es nicht weit zum Rizanti, einem meiner Lieblingsrestaurants,
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