Palazzo der Lüste
lassen, um dies zu klären. Dann könnten wir auch ein paar anderen Dingen auf den Grund gehen im Zusammenhang mit ihrem plötzlichen Erscheinen in Venedig.«
Nicolò hielt es nicht länger. »Ich benötige kein Alibi von Signora Capelli. Wir waren tatsächlich nicht zusammen. Sie hat es nur gesagt, um mir zu helfen. Sie weiß so gut wie ich, dass ich mit dem Verschwinden der kleinen Trebiso nichts zu tun habe.«
»Falschaussage ist Falschaussage.« Lanfranchi war keineswegs beschwichtigt. »Ich möchte sie doch vorladen. Es gibt zu viele Ungereimtheiten.«
»Das ist nicht nötig.« Auch Nicolò war nun wütend. »Nehmen Sie mich und lassen Sie sie in Ruhe.«
Er stand gerade und angriffslustig vor dem Ispettore, überragte ihn um mehr als Haupteslänge. Lanfranchi gab klein bei.
»Dann wird eine Vorladung vorerst nicht nötig sein.«
»Ich möchte einen Augenblick mit meiner Verwandten sprechen.« Nicolò schüttelte die Hand des Assistenten von seinem Arm und zog Cecilia ein paar Schritte zur Seite. Er verdeckte sie vor den Augen der Polizisten mit seinem Rücken.
»Was haben Sie sich dabei gedacht, Cara?« Mit dem Daumen strich er über ihre Wange.
Ja – was hatte sie sich gedacht?
»Ich – ich, wenn Sie weg sind – verhaftet sind. Ich kann das nicht ertragen«, presste sie hervor, und es gelang ihr nur mit Mühe, die Tränen zurückzuhalten.
»Das ist ein Irrtum. Wahrscheinlich bin ich schon heute Abend wieder da. Zeigen Sie mir ein Lächeln, das ich bis dahin mitnehmen kann.«
Sie tat es. Nicolò ging zu den beiden Polizisten zurück.
Nachdem sie mit ihm das Haus verlassen hatten, sank Cecilia im Piano Nobile zusammen und ließ ihren Tränen freien Lauf. So fand sie Auriana, die sie schließlich überreden konnte, in den Salon zu gehen. Dort brachte die Freundin nach und nach die ganze Geschichte aus ihr heraus.
»Was soll ich nur tun?«, schniefte Cecilia und betupfte sich die Augen mit einem Taschentuch.
»Weiß es schon jemand?«
Ein neuer Schreck durchfuhr Cecilia – sie musste es Nicolòs Mutter sagen.
»Wir müssen Donna Sofia suchen«, entschied sie.
*** Nach einigem Suchen entdeckten sie die Nobildonna in ein Gespräch mit einer Freundin vertieft auf dem Campo Maria Formosa vor der gleichnamigen Kirche. Ein Page ging, beladen mit etlichen Päckchen, hinter den beiden Frauen.
Auriana sah sie zuerst und eilte auf die beiden Frauen zu. Cecilia folgte langsamer, in ihrer Kehle hatte sich ein Kloß gebildet, und sie fühlte sich flau bei dem, was sie gleich sagen musste. Taktvoll zog Auriana die Freundin Sofias ein paar Schritte beiseite.
»Cecilia meine Liebe, sehen Sie doch nur. Ich habe dieses ganz entzückende Häubchen gekauft. Es wird phantastisch zu meinem rosa Morgenkleid passen.« Die Nobildonna Sofia machte Anstalten, vom Pagen eines der Päckchen auswickeln zu lassen.
»Ich glauben Ihnen. Lassen Sie es um Himmels willen zu.« Der Kloß in Cecilias Kehle wurde immer größer. »Ich – ja – ich – wie soll ich es sagen …«
»Ist etwas passiert?« Das zauberhafte Lächeln verschwand aus Sofias Gesicht. »Sind Sie krank? Ist etwas mit meinem schlimmen Sohn?«
»Es ist Nicolò. Die Polizei hat ihn verhaftet. Lanfranchi und sein Assistent Sansovino.« Es war heraus, und Cecilia fühlte sich keinen Deut besser als vorher.
Sie griff nach dem Arm von Nicolòs Muter, falls diese – vom Kummer übermannt – das Bewusstsein verlieren sollte. Aber die war stärker, als ihr zartes Aussehen vermuten ließ, sie straffte sich und zeigte den ganzen Stolz der Capellis.
»Lassen Sie uns zurückgehen und erzählen Sie mir alles.«
Arm in Arm gingen die beiden Damen zurück zur Casa Capelli. Im Haus zog Sofia die Jüngere in ihren Privatsalon und verlangte Erfrischungen. Erst nachdem diese gebracht waren, verlor ihr Gesicht die Maske des Stolzes.
»Jetzt erzählen Sie mir alles.« Sie betupfte die Augen mit einem Taschentuch und wäre wohl wie ein Häufchen Elend auf dem Sessel zusammengesunken, wenn das Korsett sie nicht daran gehindert hätte.
Cecilia berichtete zum zweiten Mal von Nicolòs Verhaftung, und dass sie dabei in die tränenfeuchten Augen seiner Mutter schauen musste, machte es nicht leichter. Sie musste heftig schlucken, um ihre eigenen Tränen zurückzuhalten, als sie Nicolòs versteinerten Gesichtsausdruck und Sansovinos grobe Hand auf seinem Arm beschrieb.
»Sie haben ihn einfach
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