Palazzo der Lüste
Eingang, das Dach fehlte zu einem großen Teil, und auch der noch stehende Rest sah aus, als wüsste er nicht, wie er zusammengehalten wurde.
Der Mann im braunen Anzug ging ohne zu zögern hinein. Cecilia drückte sich auf der anderen Straßenseite in einen Spalt zwischen zwei Häusern, deren Erhaltungszustand nur wenig besser war. Eine Katze schoss fauchend heraus, als sie in ihrem Versteck bedrängt wurde.
»Verdammtes Vieh!«, schrie eine Stimme über Cecilia. Ein Nachttopf wurde ausgeleert, und der Inhalt platschte dicht vor ihr aufs Pflaster, und gleich darauf wurde ein Fensterladen lauter zugeschmettert, als eine Katze jemals fauchen konnte.
Sie hielt sich ein Taschentuch vor Mund und Nase und bemühte sich, möglichst flach zu atmen. Außer ihr hatte von dem Vorfall niemand Notiz genommen, und niemand störte sich an der Lache stinkender Flüssigkeit. Sie drückte sich tiefer in die Nische und beobachtete das gegenüberliegende Haus. Der Mann schien gar nicht wieder herauskommen zu wollen. Sie begann sich zu fragen, ob er es vielleicht durch einen anderen Ausgang verlassen und sie mit dem ältesten Trick der Welt abgehängt hatte. Sie nahm sich vor, langsam bis fünfzig zu zählen, und wenn er dann nicht wieder zum Vorschein gekommen war, würde sie nachsehen.
Als sie bei siebenundvierzig angekommen war, trat er auf die Straße. Cecilia atmete auf – sie wäre nicht gerne hinübergegangen. Der Mann trug ein Bündel unter dem Arm, mit dem er sich wieder auf den Weg machte. Sie folgte und war überzeugt, ihr Kleid war inzwischen so schmutzig, dass sie sich kaum noch von den Bewohnern dieser Straße unterschied.
Diesmal ging es nur in eine Seitengasse, wo der Mann bei einer alten Frau stehen blieb. Sie saß auf einem Stuhl vor dem Haus und raucht Pfeife. Die Gasse war von Personen unterschiedlichen Standes bevölkert. Einige schlenderten ziellos umher, andere suchten mit zielstrebigen Schritten ihren Weg. Seidenröcke schwangen in der lauen Abendluft und solche aus fleckigem Musselin. Menschen stritten miteinander, und in einem Hauseingang küsste sich heimlich ein Liebespaar.
Cecilia näherte sich den beiden vor dem Haus, so weit sie es wagte, und tat dann so, als wollte sie einen Stein aus ihrem Schuh schütteln.
»Ich habe etwas, das wird deinen Mädchen gefallen«, sprach der Mann die Vettel an.
»Mir muss es gefallen, Kleiner. Vor allem der Preis.« Durch eine Zahnlücke spie sie einen Strahl Tabaksaft aufs Pflaster.
»Ja klar.« Er wickelte das Bündel aus.
Zum Vorschein kam ein Kleid. Es war weiß und mit kleinen bläulichen Punkten bedruckt. Cecilia war überzeugt, es war das Kleid mit den Veilchenblüten, das Lucrezia bei dem Besuch in der Kirche Santa Maria della Pietà getragen hatte. Sie wagte sich zwei Schritte weiter heran und tat so, als sei mit ihrem Schuh immer noch etwas nicht in Ordnung und bückte sich wieder. Dabei schielte sie über die Schulter zu der Vettel und dem Mann im Anzug.
Die kleinen Punkte waren Blüten, so viel konnte sie erkennen, aber ob es dasselbe Kleid war – ihr Gefühl sagte Ja. Es hatte schon bessere Tage gesehen, die Rüschen am Saum waren teilweise abgerissen und hingen im Dreck.
Der Mann schwenkte es herum, als würde es eine imaginäre Frau tragen und sich darin drehen.
»Ein alter Lappen in einer unmöglichen Farbe. Ich wüsste nicht, welches meiner Mädchen das tragen sollte.«
Sie wollte den Preis drücken. Ihre Mädchen waren wahrscheinlich Huren der niedrigsten Sorte, und ein solches Kleid wäre für sie ein wertvolles Gut.
Die beiden wurden sich handelseinig, und ein paar Münzen wechselten den Besitzer. Die Alte rief einen unverständlichen Namen ins Haus, und ein Mädchen kam an die Tür. Blondes Haar umrahmte in strähnigen Locken ihr Gesicht, und sie trug nur ein Unterkleid, das von ihren Formen mehr enthüllte als verbarg.
Sie nahm das Kleid und murmelte ein paar Worte, die vielleicht ein Dank waren, bevor sie wieder im Haus verschwand.
Für Cecilia gab es nichts mehr zu sehen, und sie hatte auch lange genug versucht, einen Stein aus ihrem Schuh zu entfernen. Sie hatte recht gehabt – die ganze Zeit. Jetzt mussten es auch die anderen einsehen. Sie ballte die Faust und machte sich auf den Weg zurück zur Casa Capelli. Unterwegs musste sie mehrmals nach dem Weg fragen, denn bei der Verfolgung hatte sie sich nicht die Gassen gemerkt.
Es war finstere Nacht, als sie endlich ins Haus
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